Polen

Zentralrat fordert Innehalten zum Jahrestag des Kriegsbeginns

Zentralratspräsident Josef Schuster Foto: Thomas Lohnes/Zentralrat der Juden

Das Gedenken an den Beginn des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren sollte nach Worten des Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, europaweit zum Innehalten führen. »Es gilt zu fragen, ob wir uns noch auf dem richtigen Weg befinden«, schrieb er am Samstag in einem Gastbeitrag in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«. Der Nationalismus in Europa wachse, und in vielen europäischen Staaten werde offenbar zunehmend vergessen, »dass Frieden nicht selbstverständlich ist«.

Schuster forderte, den nachfolgenden Generationen »die ganze Dimension dieses Krieges zu vermitteln«. In Deutschland müssten Menschen aufwachsen, »die das Verantwortungsbewusstsein haben, das wir für ein friedliches Europa brauchen«.

GEDÄCHTNIS Der Beginn des Zweiten Weltkriegs sei lange tief im Gedächtnis der Deutschen verankert gewesen, fügte der Zentralratspräsident hinzu. »Die Schoa hat hingegen im deutschen nichtjüdischen Familiengedächtnis keinen systematischen Platz«, schreibt Schuster unter Berufung auf Untersuchungen des Soziologen Harald Welzer. Heute komme die Schoa »auf der Täterseite als Teil der Familiengeschichte so gut wie gar nicht mehr vor«.

»Es gilt zu fragen, ob wir uns noch auf dem richtigen Weg befinden«, betont Schuster.

Zugleich beantragten heute immer mehr britische Juden mit deutschen Vorfahren die deutsche Staatsbürgerschaft, fügte Schuster hinzu. Diese Entwicklung zeige »ein gewisses Vertrauen, dass diese britischen Juden dem heutigen Europa entgegenbringen. Zum anderen wird die Europäische Union offenbar als Garant für Frieden und Sicherheit wahrgenommen.« Dies sei »bemerkenswert«, gab der Zentralratspräsident zu bedenken.

Vor 80 Jahren, am 1. September 1939, begann der Zweite Weltkrieg mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen. Rund 60 Millionen Menschen verloren während des sechs Jahre dauernden Krieges ihr Leben.

GEDENKEN Polen gedenkt am Sonntag des 80. Jahrestags des deutschen Überfalls, der den Beginn des Zweiten Weltkrieges markierte. Zu der zentralen Gedenkveranstaltung am Mittag in Warschau werden Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Kanzlerin Angela Merkel erwartet.

Dass der Bundespräsident und die Kanzlerin gemeinsam an einer solchen Gedenkveranstaltung teilnehmen, ist ausgesprochen ungewöhnlich und kann als besondere Geste gegenüber Polen angesehen werden. Steinmeier und Merkel wollen damit deutlich machen, dass sich Deutschland zu seiner Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg mit Millionen Toten bekennt.

Merkel und Steinmeier wollen deutlich machen, dass sich Deutschland zu seiner Verantwortung für den Zweiten Weltkrieg bekennt.

Steinmeier wird sich bereits am frühen Morgen mit dem polnischen Präsidenten Andrzej Duda zu einer Gedenkveranstaltung in der Stadt Wielun treffen. Die damals nahe der deutschen Grenze gelegene und militärisch völlig bedeutungslose Kleinstadt war von der deutschen Luftwaffe am 1. September 1939 als erstes Ziel angegriffen und weitgehend zerstört worden. Etwa 1200 Menschen starben im Bombenhagel. Wenige Minuten später beschoss das deutsche Linienschiff SMS Schleswig-Holstein die Danziger Westerplatte.

USA Steinmeier und Duda werden in Wielun Reden halten, später auch in Warschau. Eine Rede Merkels ist nicht vorgesehen. Allerdings wird US-Vizepräsident Mike Pence sprechen. Er vertritt Präsident Donald Trump, der seine Teilnahme wegen des Hurrikans »Dorian« kurzfristig abgesagt hat.

Steinmeier will nach Angaben des Bundespräsidialamtes auch die inzwischen erreichte Versöhnung zwischen Deutschland und Polen würdigen und die Bedeutung des vereinten Europas für die weitere friedliche Entwicklung betonen.  kna/ja/dpa

Nachruf

Keine halben Sachen

Die langjährige Nahost-Korrespondentin der WELT, Christine Kensche, ist gestorben. Ein persönlicher Nachruf auf eine talentierte Reporterin und einen besonderen Menschen

von Silke Mülherr  10.01.2025

Meinung

Tiefpunkt für die Pressefreiheit

An der besetzten Alice Salomon Hochschule versuchte die Rektorin zusammen mit israelfeindlichen Aktivisten, die journalistische Berichterstattung zu verhindern

von Jörg Reichel  10.01.2025

Alice Salomon Hochschule

Nach Besetzung: Hochschulleitung soll Journalisten behindert haben

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union erhebt schwere Vorwürfe gegen die Leitung

 10.01.2025 Aktualisiert

Nachruf

Eine unabhängige Beobachterin mit Herzensbildung

WELT-Chefredakteur Jan Philipp Burgard nimmt Abschied von Israel-Korrespondentin Christine Kensche

von Jan Philipp Burgard  10.01.2025

Interview im "Playboy"

Marcel Reif: Antiisraelische Hetze bei Demos ist Judenhass

»Ich hätte mir gewünscht, dass der Rechtsstaat viel schneller und viel härter eingreift«, sagt der Sportkommentator

 10.01.2025

USA

Kreuzritter 2.0? - Ein designierter US-Verteidigungsminister mit Kreuz(zug)-Tattoo

Pete Hegseth steht wegen seiner Tätowierungen in der Kritik. Angeblich symbolisieren sie eine Kreuzzugsideologie. Was hinter Jerusalemkreuz und Co. steckt

von Andrea Krogmann  10.01.2025

USA

Los Angeles: Auch jüdische Stars verlieren Häuser

Dazu gehören Adam Brody und Steve Guttenberg, der den Behörden half, Bewohner zu evakuieren

 10.01.2025

Washington D.C.

Wegen Haftbefehl gegen Netanjahu: US-Repräsentantenhaus beschließt Sanktionen gegen IStGH

Nun muss der Senat den Gesetzentwurf bestätigen. Auch dort haben die Republikaner eine Mehrheit

von Imanuel Marcus  10.01.2025

Meinung

Hitler ein Linker? Der »Vogelschiss«-Moment der Alice Weidel

Mir ihren Aussagen zu Adolf Hitler im Gespräch mit Elon Musk hat die AfD-Chefin erneut ihre Inkompetenz bewiesen

von Michael Thaidigsmann  10.01.2025