Judenhass

Zentralrat der Juden macht Druck: FU Berlin soll antisemitischen Schläger rauswerfen 

Foto: picture alliance / Schoening

Nach dem brutalen Angriff auf einen jüdischen Studenten der Freien Universität Berlin fordert der Zentralrat der Juden von der Hochschule strikte Konsequenzen. »Wer einen jüdischen Kommilitonen krankenhausreif schlägt, weil er Jude ist, der hat an einer deutschen Universität nichts zu suchen«, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster am Dienstag in Berlin. »Eine Exmatrikulation des betreffenden Studenten ist alternativlos.« Nach Darstellung der Universität ist ein solcher Rauswurf aber rechtlich nicht möglich.

Der 30-jährige jüdische Student Lahav Shapira war am Wochenende mit Knochenbrüchen im Gesicht ins Krankenhaus gekommen. Ein 23-jähriger Kommilitone soll ihn in Berlin-Mitte geschlagen und getreten haben. Die Polizei hatte berichtet, dass beide zunächst in Streit gerieten, bevor der 23-Jährige plötzlich zugeschlagen habe. Lahav Shapira und seine Begleitung bestreiten, dass es einen Streit gegeben habe. Der mutmaßliche Täter floh zunächst, wurde dann aber ermittelt.

Wissenschaftssenatorin ist skeptisch

Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra sieht die Exmatrikulationsforderungen skeptisch. »Es ist ein hohes Grundrecht, das hier betroffen wäre von einer Exmatrikulation«, sagte die SPD-Politikerin in der RBB-»Abendschau« am Dienstag. »Exmatrikulation aus politischen Gründen lehne ich auch grundsätzlich ab.«

Hochschulen seien offene Räume der Kommunikation und der Debatte. »Die Wissenschaft lebt von Austausch, lebt von Internationalität, lebt von internationalen Studierenden. Und natürlich gibt’s auch dann mal Konflikte auf dem Campus. Und die müssen wir eindämmen.« 

»Antisemitisches Tatmotiv nicht fernliegend«

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Berlin, die den Fall inzwischen übernommen hat, wurde der Tatverdächtige nicht festgenommen. Ein Sprecher der Behörde erklärte am Dienstag auf Anfrage: »Untersuchungshaft würde voraussetzen, dass Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich der Beschuldigte dem Verfahren entziehen könnte. Dies ist hier nicht der Fall.«

Die weiteren Ermittlungsschritte würden geprüft. Im Raum stehe der Verdacht der gefährlichen Körperverletzung. »Ein antisemitisches Tatmotiv scheint nach dem jetzigen Stand der Ermittlungen nicht fernliegend«, erklärte der Sprecher weiter.

Die Freie Universität hatte sich am Montag bestürzt über den »mutmaßlich antisemitisch motivierten Angriff« geäußert und angekündigt: »Wenn sich bestätigt, dass der Täter Student der Freien Universität Berlin ist, wird die Hochschule umgehend die möglichen juristischen Schritte im Rahmen des Hausrechts prüfen und gegebenenfalls ein Hausverbot durchsetzen.« 

Zentralratspräsident Schuster reicht das nicht. »Die FU Berlin hat die Verantwortung dafür, dass es in ihren Reihen keinen Platz für Extremismus und Antisemitismus gibt«, erklärte er in Berlin. »Die Beschwichtigungstaktik und die Ausflüchte der Hochschulleitung müssen endlich ein Ende haben. Wenn der Kampf gegen Antisemitismus ernst genommen wird, müssen antisemitische Straftaten zur Exmatrikulation führen.«

Uni-Präsident stellt schärfere Regeln in Aussicht 

Die Uni erläuterte jedoch auf ihrer Webseite, eine Exmatrikulation sei unmöglich. »Das sogenannte Ordnungsrecht der Hochschulen, das als weitreichendste Maßnahme auch die Exmatrikulation ermöglichte, wurde durch Änderung des Berliner Hochschulgesetzes im Jahr 2021 abgeschafft. Somit ist eine Exmatrikulation schon formal nicht möglich.« Zur Sicherung des geordneten Hochschulbetriebs könnten »Maßnahmen gegen Störungen mit einer Dauer von höchstens drei Monaten getroffen werden (z.B. Hausverbot)«.

FU-Präsident Günter Matthias Ziegler sagte der »Abendschau«: »Ich habe den Eindruck, dass wir nachschärfen müssen, zumindest in den Hilfsmitteln, die wir haben. Und dass das, was im Moment besteht, eben ein Hausverbot begrenzt auf drei Monate, möglicherweise für die Situationen, die wir haben, nicht reichen wird.«

Die Jüdische Studierendenunion mahnte die FU-Leitung. »Jüdische Studierende erwarten endlich klare Konsequenzen für Antisemiten am Campus«, sagte die Verbandspräsidentin Hanna Veiler dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. »Universitätsleitungen müssen ihre Verantwortung wahrnehmen. Öffentliche Statements sind nicht mehr genug.« Die Uni müsse Judenhass bei Studierenden und Angestellten den Nährboden nehmen. 

Bruder spricht von der Vorgeschichte

Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober hatte es auch an deutschen Hochschulen immer wieder Anfeindungen gegen jüdische Studenten durch propalästinensische Studierende gegeben. An der FU haben jüdische Studierende Angst, berichtete die »Bild«-Zeitung.

Der Bruder des verletzten Studenten, Shahak Shapira, sagte der »Berliner Zeitung«, es gebe viele unbeantwortete Fragen zum Verhalten der Universität in den letzten Monaten. Sein Bruder Lahav hatte dem Bericht zufolge versucht, als Beobachter an propalästinensischen Aktionen teilzunehmen und dort Poster der von der Hamas entführten Menschen aufzuhängen. Dabei sei er gefilmt worden.

»Anstatt für Aufklärung zu sorgen, hat man es irgendwelchen dubiosen Twitteraccounts überlassen, mit nichts aussagenden Videoausschnitten gewisse Studierende als rechtsextrem oder gewalttätig zu framen, wo sie diejenigen waren, die körperlich angegangen wurden und von öffentlichen Demos oder gar Hörsälen ihrer Uni ausgeschlossen wurden«, sagte Shahak Shapira der Zeitung. »Ist die FU jetzt schuld daran, dass mein Bruder angegriffen wurde? Nein. Aber dass die FU die Entwicklung einer Atmosphäre, aus der ein solcher Angriff hervorkommen kann, ein Stück weit zugelassen hat, ist schwer zu leugnen.«. dpa/ja

Washington

Offene Herabwürdigung im Weißen Haus: Disput zwischen Selenskyi und Trump schockt die Welt

Nach der Eskalation in Washington verweigert Selenskyj eine Entschuldigung, Trump zieht sich nach Florida zurück, und Europa fragt: Wie geht es in der Ukraine weiter?

von Julia Naue, Luzia Geier, Michael Donhauser  01.03.2025

Rechtsradikalismus

Pia Lamberty: AfD ist rechtsextreme Partei mit menschenfeindlichen Ideen

Die Radikalisierung in der gesamten Gesellschaft seit der Corona-Pandemie müsse in den Blick genommen werden, so die Extremismus-Expertin

 28.02.2025

Washington D.C./Berlin

Trump: Nicht enttäuscht über AfD-Wahlergebnis

Der US-Präsident betont, seine Regierung habe »ein hervorragendes Verhältnis zu allen Gruppen in Deutschland«. Aktuell habe die Bundesrepublik »eine Menge Dinge am Laufen«

 28.02.2025

Interview

»Ein Raum für Resilienz«

Nachumi Rosenblatt über den Jugendkongress, unbeschwertes Feiern und den Austausch untereinander

von Helmut Kuhn  27.02.2025

Österreich

Koalition gefunden: Kein Kanzler Kickl

ÖVP, SPÖ und Neos haben sich auf die Bildung einer Regierung geeinigt

 27.02.2025

Judenhass

Wegen ihres Engagements gegen Judenhass: Morddrohungen gegen Uschi Glas

Im Internet gibt es Morddrohungen gegen die Schauspielerin Uschi Glas, weil sie sich seit längerem gegen Antisemitismus engagiert. Die Justiz ermittelt

 26.02.2025

Solidarität

Berlin erinnert an das Schicksal von Kfir, Ariel und Shiri Bibas

Kfir, Ariel und Shiri Bibas wurden am Mittwoch in Israel unter großer Anteilnahme beigesetzt. Auch in Berlin gab es eine besondere Geste des Gedenkens an die ermordeten israelischen Geiseln

 26.02.2025

Glosse

Gazas goldene Zukunft

Bärtige Bauchtänzer und Elon Musk isst Hummus am Strand, während Geld vom Himmel regnet: US-Präsident Donald Trump wirbt mit einem KI-Video für seinen Plan, den Küstenstreifen zur »Riviera des Nahen Ostens« zu machen

von Michael Thaidigsmann  26.02.2025

Berlin

Neue Ausstellung dokumentiert Pogrome gegen Juden

Konkret geht es um die Geschichte von fünf jüdischen Gemeinden, die allesamt von Pogromen betroffen waren, darunter Berlin im Jahr 1938 und Kibbuzim im Süden Israels am 7. Oktober 2023

 26.02.2025