Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat das Urteil im NSU-Prozess gegen die Hauptangeklagte Beate Zschäpe begrüßt. »Damit hat der Rechtsstaat ein deutliches Signal gegen Rechtsextremismus gesetzt«, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster. »Für die Angehörigen der Mordopfer bleibt jedoch der Verlust. Ihnen gilt unser tiefes Mitgefühl.«
Die Hauptangeklagte im NSU-Prozess, Beate Zschäpe, wurde am Mittwoch zu lebenslanger Haft verurteilt. Vor dem Münchner Oberlandesgericht wurde die 43-Jährige wegen Mordes in zehn Fällen schuldig gesprochen, wie ein Gerichtssprecher mitteilte. Zugleich stellte das Gericht die besondere Schwere der Schuld fest.
Aufmerksamkeit Nach dem Urteil forderte Josef Schuster, dass der Kampf gegen den rechtsextremistischen Terrorismus mit dem Ende des Prozesses nicht als erledigt betrachtet werden dürfe. »Das Umfeld des NSU liegt weiterhin im Dunkeln. Hier sind noch viele Fragen offen.« Der Zentralratspräsident wies zudem darauf hin, dass die rechtsextreme Szene stetig wachse und sich weiter radikalisiere. Hier sei höchste Aufmerksamkeit von Politik und Strafverfolgungsbehörden notwendig.
»Über die AfD«, so Schuster weiter, »haben nach Einschätzung von Beobachtern Teile der rechtsextremen Szene Zugang zu den Parlamenten und damit neue Möglichkeiten, unsere Demokratie auszuhöhlen. Diese Gefahr muss von der Bundesregierung ernster genommen werden, als es bisher der Fall ist.«
Schuster verwies auch auf das Verhalten der Sicherheitsbehörden bei den Ermittlungen zu den Mordfällen des NSU. »Die Angehörigen der Mordopfer wurden lange zu Unrecht verdächtigt und mussten extrem belastende Ermittlungen ertragen. Hier müssen sich die Sicherheitsbehörden selbstkritisch fragen, ob sie generell mit Minderheiten angemessen umgehen.«
Fragen Der Prozess habe zudem viele Fragen nicht beantwortet. Das habe sowohl am Schweigen der Angeklagten als auch an den Sicherheitsbehörden gelegen, die gemauert und vertuscht haben. »Weitere Aufklärung ist daher dringend notwendig. Einen Schlussstrich unter das Kapitel NSU darf es nicht geben«, betonte Schuster.
Mit dem Urteil gegen Beate Zschäpe ging der Münchner NSU-Prozess am Mittwochmorgen nach mehr als fünf Jahren zu Ende. Zschäpes Mitangeklagten Ralf Wohlleben, Holger G., André E. und Carsten S. wurden zu Haftstrafen verurteilt.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) begrüßte das Urteil. »Das Leid, was die Täter angerichtet haben, ist durch nichts wiedergutzumachen. Die Opfer bleiben unvergessen«, erklärte der frühere Justizminister am Mittwoch in Berlin.
Aufklärung Auch die Türkische Gemeinde in Deutschland begrüßte das Urteil und forderte zugleich weitere Strafverfahren gegen das Unterstützernetzwerk der Rechtsterroristen. Das Ende des Münchner Prozesses dürfe keinesfalls den Schlussstrich der Aufklärung bedeuten, erklärte der Vorsitzende Gökay Sofuoglu.
Die Amadeu Antonio Stiftung forderte nach dem Urteil im NSU-Prozess gegen mehrere Rechtsextremisten weitere Aufklärung über die Hintergründe der Taten. »So empfindlich die verhängten Strafen gegen die Angeklagten sind, so unbefriedigend ist der Ausgang des Verfahrens gegen den NSU«, erklärte Stiftungsvorsitzende Anetta Kahane am Mittwoch in Berlin.
»Der Versuch eines juristischen Schlussstrichs darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir von Aufklärung noch weit entfernt sind.« Die offen gebliebenen Fragen schmerzten Betroffene und Angehörige. Das Versprechen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach vollständiger Aufklärung sei nicht eingelöst worden, so Kahane.
Die rechtsextrem motivierte Mordserie des »Nationalsozialistischen Untergrunds« (NSU) war 2011 aufgedeckt worden. Den Taten fielen zwischen 2000 und 2007 nach Behördenerkenntnissen in acht Städten neun Menschen mit Migrationshintergrund und eine Polizistin zum Opfer. ja/epd