Am Sonntag ist in Hessen eingetreten, wovor sich nicht nur die etablierte Politik gefürchtet hat: Die AfD ist in der Kommunalwahl zur drittstärksten Kraft aufgestiegen. Und auch die NPD, die durch das Bundesverfassungsgericht hoffentlich bald verboten wird, hat mancherorts um die 15 Prozent der Wählerstimmen eingefahren. Kommentatoren versuchen eine Deutung der Ergebnisse irgendwo zwischen lautstarkem Protest gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung und einer Renaissance rechtspopulistischen Gedankenguts.
Man muss nicht dem Volk der Propheten entstammen, um vorherzusagen, dass auch die am kommenden Sonntag stattfindenden drei Landtagswahlen ein ähnlich schauriges Ergebnis hervorbringen dürften. Was tun? Manche von uns stellen sich womöglich schon mal gedanklich darauf ein, der Heimat den Rücken zu kehren. Mit Blick auf die historische Blaupause der jüngeren Vergangenheit wäre dies wohl der erste, instinktive Impuls.
antisemitismus Und doch wäre er zum jetzigen Zeitpunkt erstens falsch und zweitens verfrüht. Rassismus, Fremdenhass, Antisemitismus, Nationalismus und Isolationismus – rechte Denkmuster und Ressentiments, die seit Ende des Zweiten Weltkriegs unter einer dünnen Schicht gesellschaftlicher Selbstbeschränkung zurückgehalten wurden – können jede Gesellschaft befallen, wie derzeit zahllose Beispiele in ganz Europa belegen.
Die Antwort kann nicht sein, den Notausgang zu wählen. Bedroht ist nämlich nicht nur der Jude, als Prototyp des »Anderen«. Bedroht ist jeder Ausländer, jeder Fremde, jeder Flüchtling, jeder aufrechte Demokrat. Bedroht ist die freie Gesellschaft, in der wir leben.
Die Lösung kann nur darin bestehen, gemeinsam gegen Ignoranz, Hass und rechtes Gedankengut aufzustehen, für unsere Wertegemeinschaft und Demokratie zu streiten, mit Herz, Verstand und der Kraft des Arguments einen Schutzwall gegen die rechtspopulistische Welle zu errichten. Jetzt ist es an der Zeit, gemeinsam zu handeln.
Der Autor ist Direktor des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinden in Hessen.