Zentralrat

Zeichen der Solidarität

Die jährlichen Ratsversammlungen des Zentralrats der Juden in Deutschland stehen gewöhnlich nicht sehr im Blick der Öffentlichkeit. Dieses Jahr war das anders. Vier Fernsehteams, sieben Pressefotografen, insgesamt mehr als 30 Journalisten von Nachrichtenagenturen, Zeitungen, Fernseh- und Hörfunksendern kamen am vergangenen Sonntag ins Frankfurter Ignatz-Bubis-Gemeindezentrum in die Savignystraße. Der Grund: Erstmals in der über 60-jährigen Geschichte des Zentralrats besuchte ein Regierungschef das oberste Entscheidungsgremium der Organisation.

signal Für Dieter Graumann war der Besuch der Bundeskanzlerin nicht nur aus dieser historischen Perspektive von ganz besonderer Bedeutung. Das Signal der Solidarität, das Angela Merkel damit setze, sei besonders wichtig, so der Zentralratspräsident. Die vergangenen Wochen und Monate seien mit antisemitischen Überfällen und judenfeindlichen Tönen in der Beschneidungsdebatte eine schwierige Zeit für die jüdische Gemeinschaft in Deutschland gewesen: »Freundschaft zeigt sich doch besonders in schwerer Zeit.«

So wurde die Rede der Kanzlerin von den Spitzenvertretern der Gemeinden und Landesverbände denn auch mit lang anhaltendem Applaus bedacht. Graumann konstatierte später, die Kanzlerin sei von den Delegierten herzlich, fast schon »mit Begeisterung und Ekstase« empfangen worden. Es sei zu spüren, dass ihr Engagement von Herzen komme. »Dies hat uns sehr gutgetan, in einer Zeit, die für uns schwierig ist, die aber ganz sicher bald wieder sehr viel besser wird.«

antisemitismus Im Anschluss an ihre Rede sagte die Kanzlerin vor Journalisten, sie freue sich, dass es »wieder ein lebendiges jüdisches Leben in Deutschland gibt«. Merkel stellte aber auch »ein großes Maß an Antisemitismus« fest. Dies sei besonders in der Beschneidungsdebatte deutlich geworden. Es gelte nun zu überlegen, was es bedeute, Toleranz gegenüber Religionen zu zeigen. Religionsfreiheit drücke sich eben darin aus, dass Religion gelebt und praktiziert werden könne.

Merkel verwies in diesem Zusammenhang auf den aktuellen Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Beschneidung. Es sei ein »ausgewogener Gesetzestext«, der jetzt durch die Beratungen von Bundestag und Bundesrat gehe. Sie hoffe, dass er noch vor Weihnachten verabschiedet werden könne. Graumann dankte der Kanzlerin. Es sei wichtig, dass die deutsche Politik gehandelt habe und jetzt ein Gesetz beschließen werde, »mit dem wir leben können«. Das damit verbundene Signal, dass jüdisches und muslimisches Leben in Deutschland willkommen sind, sei von großer Bedeutung.

Bei der Rede der Kanzlerin vor den Delegierten und der anschließenden Diskussion, die Angela Merkel als »spannenden Meinungsaustausch« bezeichnete, war auch die internationale Lage diskutiert worden. In Bezug auf Israel und den Gaza-Konflikt der vergangenen Woche betonte Merkel, dass jedes Land das Recht der Selbstverteidigung und die Pflicht zum Schutz der eigenen Bürger habe.

haushalt Zuvor hatte die Ratsversammlung den Bericht des Präsidenten entgegengenommen und den Haushalt des Zentralrats verabschiedet. Dieter Graumann erinnerte dabei nochmals an die Verdoppelung der Mittel, die er im vergangenen Jahr verkünden konnte: »Wir haben versprochen, die neuen Möglichkeiten zu nutzen, einen neuen Zentralrat aufzubauen. Dieses Versprechen haben wir gehalten und sind ein ganzes Stück vorangekommen.«

Dabei zählte er die Einberufung des Runden Tisches in Berlin und den Gemeindetag in Hamburg auf. Zudem sei der Zentralrat dabei, die Gemeinden und jüdischen Organisationen mit einer virtuellen Plattform weiter zu verbinden und zu vernetzen. Ein gemeinsamer Veranstaltungskalender könne bereits genutzt werden. »Das wird unsere Wirksamkeit als jüdische Gemeinschaft erhöhen«, sagte Graumann. Zudem kündigte er eine neue Bildungsinitiative an. Vorhandene Angebote sollten gebündelt, eine jüdische Akademie eingerichtet werden.

Der Zentralrat solle mit zusätzlichen Mitarbeitern das jüdische Kompetenzzentrum werden, das seine Arbeit noch mehr intensiviert und professionalisiert. Auch im Jugendbereich verkündete der Präsident Neuerungen. Die Jewrovision, der jährliche Musikwettbewerb, werde ab dem nächsten Jahr vom Zentralrat in eigener Regie organisiert. Ein wichtiges Thema sei auch die Altersarmut und die Frage der Grundsicherung. Dazu seien eine eigene Kommission und ein Dezernat eingerichtet worden. »Ich bin zuversichtlich, dass wir gemeinsam etwas erreichen werden.«

Trotz aller Schwierigkeiten, denen sich die jüdische Gemeinschaft in Deutschland ausgesetzt sieht, gelte weiter die Botschaft »Resignation, nein danke!«, so Graumann. Juden ließen sich nicht unterkriegen, würden nicht vor Gewalt weichen. »Wir lassen uns niemals einschüchtern, wer glaubt, uns wegsperren zu können, in das Ghetto der Verängstigung, der irrt.«

München

Bayerns Ministerpräsident Söder übt scharfe Kritik am Haftbefehl gegen Israels Premier Netanjahu

»Das Gericht hat sich massiv selbst beschädigt«, betont der CSU-Politiker - und gab eine klare Antwort auf die Frage, ob Netanjahu auf deutschem Boden verhaftet werden sollte

 24.11.2024

Gemeinden

Blick auf ein besonderes Jahr

Die Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagte in München. Für große Begeisterung im Saal sorgte die Rede des Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder

von Katrin Richter  24.11.2024

Vereinte Arabische Emirate

Chabad-Rabbiner in Dubai vermisst

Berichten zufolge könnte der Rabbiner durch den Iran entführt oder ermordet worden sein

 24.11.2024

Kriminalität

»Schwachkopf«-Post zu Habeck: Jetzt melden sich die Ermittler zu Wort

Ein Mann soll Wirtschaftsminister Habeck im Netz beleidigt haben. Dass dann die Polizei zu Besuch kam, sorgte nicht nur im Umfeld des Vizekanzlers für Verwunderung. Die Ermittler liefern Erklärungen

von Frederick Mersi  22.11.2024

Antisemitismus

Polizei sucht nach Tatverdächtigem vom Holocaust-Mahnmal

Der Mann soll einen volksverhetzenden Text in das dortige Gästebuch geschrieben haben

 22.11.2024

Debatte

Theologen werfen Papst einseitige Sicht auf Nahost-Konflikt vor

Ein Schreiben von Papst Franziskus zum Nahost-Krieg enthalte einen »blinden Fleck im Denken«

 22.11.2024

Debatte

CDU-Ministerpräsident verurteilt Haftbefehl gegen Netanjahu

»Völlig ausgeschlossen, dass ein demokratisch gewählter Ministerpräsident aus Israel auf deutschem Boden verhaftet wird, weil er sein Land gegen Terroristen verteidigt«

 22.11.2024

CDU/CSU

Unionspolitiker: Verhaftung von Netanjahu auf deutschem Boden »unvorstellbar«

Die größte Oppositionsfraktion kritisiert die fehlende Haltung der Bundesregierung

 22.11.2024

Den Haag

Der Bankrott des Internationalen Strafgerichtshofs

Dem ICC und Chefankläger Karim Khan sind im politischen und juristischen Kampf gegen Israel jedes Mittel recht - selbst wenn es unrecht ist. Ein Kommentar

von Daniel Neumann  22.11.2024