Die Zahl der antisemitisch motivierten Straftaten ist in den vergangenen Monaten enorm angestiegen. Wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Frage des Unionsabgeordneten Christoph de Vries (CDU) hervorgeht, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, haben sich die islamfeindlichen Straftaten im gleichen Zeitraum mehr als verdoppelt.
Hintergrund für beide Entwicklungen dürften der Angriff des palästinensischen Terrors in Israel am 7. Oktober und der damit begonnene Krieg in Gaza sein.
Die Polizei registrierte in Deutschland demnach im Jahr 2023 bundesweit 5154 Taten, bei denen ein antisemitisches Motiv vermutet wird - deutlich mehr als im Jahr zuvor. 2022 war die Zahl der erfassten antisemitischen Delikte um knapp 13 Prozent auf 2641 Straftaten gesunken. In den ersten drei Monaten dieses Jahres wurden den Angaben zufolge 765 antisemitische Straftaten gemeldet.
Vorläufiger Charakter
Als islamfeindlich wurden 2023 bundesweit 1464 Straftaten klassifiziert - nach 610 islamfeindlich motivierten Taten im Vorjahr. Im ersten Quartal 2024 zählte die Polizei 137 islamfeindliche Straftaten.
Die Bundesregierung wies in ihrer Antwort darauf hin, dass die Polizeistatistik zur politisch motivierten Kriminalität für 2023 und das laufende Jahr noch vorläufigen Charakter haben, weil sich durch Nachmeldungen beziehungsweise neue Erkenntnisse noch Änderungen ergeben können.
Blickt man auf, die Zahl der Menschen, die bei antisemitisch oder islamfeindlich motivierten Straftaten verletzt wurden, zeigt sich, dass zwar deutlich mehr antisemitische als islamfeindliche Vergehen registriert wurden. Die Zahl der Verletzten war im vergangenen Jahr jedoch in beiden Fallkonstellationen ähnlich.
»Konkrete Maßnahmen«
So wurden 2023 laut Statistik 56 Menschen bei antisemitischen Taten verletzt. Im ersten Quartal dieses Jahres gab es sieben Verletzte. Bei islamfeindlichen Straftaten gab es im vergangenen Jahr 53 Verletzte in Deutschland. In den ersten drei Monaten dieses Jahres zählte die Polizei hier neun Verletzte.
»Die Bekämpfung des Antisemitismus erfordert ganz konkrete Maßnahmen und nicht die ständige Wiederholung hohler Phrasen ohne jede gesetzgeberische Konsequenz«, sagte Innenpolitiker de Vries. »Unser Ziel ist ein parteiübergreifender Maßnahmenkatalog mit den Ampel-Fraktionen.«
Die Union hatte in der vergangenen Woche mehrere Anträge gestellt, die aus ihrer Sicht der Bekämpfung von Antisemitismus dienen. Unter anderem schlug die Fraktion vor, die sogenannte Sympathiewerbung für kriminelle und terroristische Vereinigungen wieder unter Strafe zu stellen.
Fataler Mechanismus
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, befürchtet nach dem iranischen Angriff auf Israel am Wochenende ein weiteres Aufflammen von Antisemitismus in Deutschland.
»Der terroristische Anschlag der Hamas auf Israel am 7. Oktober hat zu einem beispiellosen Anstieg antisemitischer Straftaten in Europa geführt«, sagte er dem »RedaktionsNetzwerk Deutschland«. »Der Angriff Irans auf Israel sollte nun nicht als weiterer Vorwand für antisemitische Aktionen in Deutschland dienen.«
Er rufe dazu auf, »dass der fatale Mechanismus zwischen erhöhten Spannungen im Nahen Osten und antisemitischer Hetze bei uns endlich einmal durchbrochen wird«. »Das wäre gut für die politische Kultur in Deutschland«, sagte Klein. dpa/epd