In einem kürzlich veröffentlichten Interview antwortete der CDU-Politiker Norbert Röttgen auf die Frage, warum nicht schon nach dem russischen Angriff auf Georgien und nach der Annexion der Krim härtere Sanktionen gegen Moskau verhängt worden seien, mit dem bemerkenswerten Satz: »Die Ereignisse wurden verdrängt, weil wir eine Wunschvorstellung von der Welt hatten, gegen die die Realität nicht ankam.«
Diese Beobachtung ist mehr als zutreffend und ließe sich gleichzeitig problemlos auf den Umgang mit anderen Diktaturen und totalitären Staaten übertragen, ist aber bei keinem anderen Land treffender als dem Iran. Schließlich destabilisiert das Regime in Teheran ebenfalls seit Jahren systematisch seine Nachbarstaaten und hat sich die Vernichtung eines anderen Staates zum Ziel gesetzt.
weigerung Dabei wird deutlich, was der Kern des deutschen »Wunschdenkens« bisher war: nämlich die Weigerung, anzuerkennen, dass auf der anderen Seite des Verhandlungstisches in manchen Fällen rationale Erwägungen bestenfalls eine untergeordnete Rolle spielen.
Ausgerechnet in Deutschland findet die Drohung, Millionen Juden ermorden zu wollen, in der öffentlichen und politischen Debatte über den Umgang mit dem Iran kaum Resonanz.
Daher wird sich ganz maßgeblich am zukünftigen Umgang mit dem Iran erweisen, ob die ausgerufene »Zeitenwende« tatsächlich einen grundlegenden Wandel in der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik zur Folge haben wird. Denn wenn der 24. Februar eine historische Erfahrung erneuert hat, dann doch die, dass totalitäre Regime meinen, was sie sagen.
putin-regime Im Fall des Putin-Regimes hat der Überfall auf die Ukraine jeden Zweifel ausgeräumt, dass es ihm ernst damit ist, wenn es der Ukraine die Existenzberechtigung abspricht. Was den Iran angeht, muss daraus zwangsläufig die Erkenntnis folgen, dass der offen artikulierte Vernichtungsantisemitismus keine politische Folklore ist.
Dass ausgerechnet in Deutschland die Drohung, Millionen Juden ermorden zu wollen, in der öffentlichen und politischen Debatte über den Umgang mit dem Iran kaum Resonanz findet, erstaunt stets aufs Neue.
Der Autor ist Direktor des American Jewish Committee (AJC) Berlin.