Wann ist eine Straftat antisemitisch? Anhand welcher Kriterien, Codes oder Symbole lassen sich judenfeindliche Bezüge erkennen und einordnen? Um die Arbeit von Polizei und Justiz zu erleichtern, hat das niedersächsische Justizministerium in Zusammenarbeit mit mehreren jüdischen und zivilgesellschaftlichen Organisationen einen Leitfaden erarbeitet.
Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU) stellte die Publikation am Mittwoch gemeinsam mit Katarzyna Miszkiel-Deppe, Leiterin der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) Niedersachsen, vor. Die Broschüre soll vor allem Polizei und Justiz helfen, mehr Handlungssicherheit zu erhalten, so Miszkiel-Deppe.
ANSTIEG Barbara Havliza informierte zunächst über den deutlichen Anstieg von Ermittlungsverfahren wegen antisemitischer Bestrebungen: 2021 seien in Niedersachsen 253 Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, während es 2020 noch 179 gewesen seien. »Die Entwicklung antisemitischer Delikte gibt keinen Anlass zur Entwarnung«, sagte die Justizministerin.
»Klassische« und zeitgenössische Erscheinungsformen des Antisemitismus werden im Leitfaden erklärt.
»Es ist besonders wichtig, antisemitisch motivierte Straftaten als solche zu erkennen, klar zu benennen und konsequent zu verfolgen«, betonte sie. Oft würden judenfeindliche Bezüge nicht offen propagiert, »sondern durch die Verwendung angeblich ganz anders gemeinter Symbole oder Bezeichnungen getarnt«. Hier setze der neue Leitfaden an, so Havliza.
Die 40-seitige Broschüre enthält unter anderem ein Glossar mit antisemitischen beziehungsweise rechtsextremen Zeichen, Symbolen, Codes und Organisationen. »Klassische« und zeitgenössische Erscheinungsformen des Antisemitismus werden darin erklärt, ebenso wird die Antisemitismus-Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) erläutert.
CHECKLISTE Barbara Havliza hob zudem die im Leitfaden enthaltene »Checkliste für das Erkennen einer antisemitischen Straftat« hervor, die anhand von 24 Fragen zu Betroffenenperspektive, Tatort und -zeit, Kontext, Botschaften sowie Verbindungen zu politischen und weltanschaulichen Gruppierungen die Einstufung erleichtern soll. Nicht zuletzt enthält die Broschüre eine Übersicht von Handlungsoptionen.
Niedersachsens Landesbeauftragter gegen Antisemitismus und zum Schutz jüdischen Lebens, Franz Rainer Enste, hat laut Justizministerium an dem Leitfaden mitgewirkt. Er lobt die Publikation: »Die vielen wertvollen Hintergrundinformationen können das eigene Wissen vertiefen oder dazu dienen, Straftaten besser einzuordnen. Damit soll der Leitfaden Justiz und Polizei in ihrer alltäglichen Arbeit unterstützen.«