Der Antisemitismusbeauftragte der Berliner Polizei, Wolfram Pemp, hat mangelnde Rechtssicherheit für Einsatzkräfte bei antiisraelischen Demonstrationen beklagt. Polizisten müssten bei Versammlungen oft innerhalb von Sekunden unterschiedliche Rechtsgüter abwägen, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd): »Das Versammlungsfreiheitsgesetz hat bei den handelnden Polizisten nicht zur mehr Rechtssicherheit geführt.«
Das Berliner Gesetz gilt als eines der liberalsten Versammlungsgesetze bundesweit und war von dem rot-rot-grünen Vorgängersenat im Februar 2021 verabschiedet worden.
STRAFBARKEITSGRENZEN »Hauptspannungsfeld ist die Tatsache, dass nicht alles, was antisemitisch ist, zwangsläufig strafbar ist, aber das Eingreifen an Strafbarkeitsgrenzen gekoppelt ist«, sagte der Leiter der Zentralstelle für Prävention im Landeskriminalamt Berlin. Bei einer Pro-Palästina-Demonstration waren am vergangenen Wochenende in Berlin aus dem Demonstrationszug mit Hunderten Teilnehmern heraus wiederholt antisemitische Parolen gerufen worden.
Meinungsfreiheit sei ein hohes Gut, sagte Pemp über die jeweiligen Entscheidungen, ob bei aggressiven Parolen eingegriffen werde: »Wenn Strafbarkeit nicht vorliegt, ist es schwer einzugreifen.«
Vor Ort sei die Entscheidung über Festnahmen weniger leicht als im Nachhinein beim Sichten von Videos. »Das ist eine Herausforderung, die meistern wir mal besser und mal nicht so gut«, gestand Pemp ein: »Es gibt kein Kochrezept, die Situationen sind nicht gleich, die Parolen sind nicht gleich.«
RECHTE Der Antisemitismusbeauftragte betonte, dass nicht alles, was unsäglich erscheine, verboten werden könne. Die Polizei müsse im Einzelfall entscheiden, wo die Meinungsfreiheit ende und wo in Rechte Dritter auf eine Weise eingegriffen werde, die Einschreiten erfordere.
Wer Israel als »Kindermörder« bezeichne, bewege sich im Bereich der Strafbarkeit. Die Behauptung »Israel ermorde Kinder« sei aber etwas anderes, sagte Pemp als Beispiel für den schmalen Grat, auf dem sich die Einsatzkräfte oft bewegen.
Darüber hinaus gehe es stets auch um die Verhältnismäßigkeit. In die Überlegungen über mögliches Einschreiten bei Demonstrationen müsse einbezogen werden, welche Auswirkungen dies haben könne, sagte er im Hinblick auf eine mögliche Eskalation der jeweiligen Lage. epd