Die Solidaritätsbekundungen ließen nicht lange auf sich warten. An Francesca Albanese, seit einigen Monaten »Sonderberichterstatterin über die Lage der Menschenrechte in den seit 1967 besetzten palästinensischen Gebieten«, werde »Rufmord« begangen, verlautbarte das Außenministerium des »Staates Palästina« in Ramallah.
Auch das vermeintliche Opfer selbst sprach von einem »politisch motivierten Angriff«. Auslöser für die Kontroverse war das Bekanntwerden antisemitischer Äußerungen. 2014 hatte Albanese auf ihrer Facebook-Seite von einer angeblichen »jüdischen Lobby« geraunt, welche die USA unterworfen hätte, um jegliche Kritik an Israel zu unterbinden.
schuldkomplex Europa sei wegen des Holocaust von einem Schuldkomplex befallen und traue sich daher ebenso wenig wie die USA, Israels Behandlung der Palästinenser anzuprangern. Albanese distanzierte sich zwar von den judenfeindlichen Äußerungen von damals – schlug aber schon im nächsten Satz wieder zurück.
Seit Jahren gehört die Italienerin auch innerhalb der Vereinten Nationen zu den schärfsten und lautesten »Kritikern« Israels.
Seit Jahren gehört die Italienerin auch innerhalb der Vereinten Nationen zu den schärfsten und lautesten »Kritikern« Israels. So verglich sie unter anderem das Leben der Menschen im Gazastreifen mit dem Schicksal der Juden im Warschauer Ghetto. Dennoch – oder womöglich genau deswegen – erschien sie für höhere Weihen qualifiziert. Vor einigen Monaten wurde die Völkerrechtlerin nämlich vom UN-Menschenrechtsrat zur Berichterstatterin ernannt. Obschon die meisten ihrer antisemitischen Ausfälle damals bekannt waren, wurden Proteste gegen ihre Person geflissentlich ignoriert.
Wer geglaubt hätte, Albanese würde in ihrem neuen Amt gemäß den auch für externe Experten geltenden UN-Regeln verbale Zurückhaltung walten lassen, wurde schnell eines Besseren belehrt. Dabei enthält der Verhaltenskodex unter anderem die Verpflichtung, Mandate der Vereinten Nationen »unparteiisch, loyal, gewissenhaft und wahrheitsgetreu« auszuüben und sich dabei nicht von Interessengruppen und interessierten Parteien beeinflussen zu lassen. Dass Albanese ganz und gar unvoreingenommen an die Arbeit gehen würde, hätte sie wohl selbst nicht behauptet, ein von ihr im Oktober vorgelegter erster Bericht bestätigt alle Vorurteile ihr gegenüber, die man haben konnte.
»apartheidstaat« Mit Vorliebe richtet sie nämlich fast alle im Köcher verfügbaren Pfeile auf Israel. Ihre Lieblingsbegriffe sind »Siedlerkolonialismus«, »ethnische Säuberung« und »Apartheidstaat«. Wobei sie letzteren Begriff in Bezug auf die von Israel besetzten Gebiete sogar als zu schwach empfindet.
Selbst die Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) zum Antisemitismus ist Albanese ein Dorn im Auge.
Selbst die Arbeitsdefinition der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) zum Antisemitismus ist ihr ein Dorn im Auge. Die werde doch, belehrte Francesca Albanese die EU-Antisemitismusbeauftragte Katharina von Schnurbein via Twitter, sowieso nur dazu verwendet, Kritiker Israels einzuschüchtern.
Albanese ließ es sich auch nicht nehmen, Ende November eine »Nakba«-Gedenkveranstaltung der Hamas in Gaza mit einem Video-Grußwort zu beehren. Den versammelten Teilnehmern rief sie zu: »Ihr habt das Recht, gegen die Besatzung Widerstand zu leisten.«
anliegen Vielleicht sollte bei den UN jemand einmal den Mut fassen und Frau Albanese aus dem Loch heraushelfen, in das sie sich mit ihrer Rhetorik hineingebuddelt hat. Oder ist den Verantwortlichen in Genf und New York nicht klar, dass mit einer Beauftragten, die ihr Amt in erster Linie als Megafon von Terrorgruppen gegen Israel versteht, weder den Anliegen der Palästinenser noch der UNO selbst gedient ist?
Vor 17 Jahren wurde der UN-Menschenrechtsrat neu gegründet. Zuvor hatte es zwar 60 Jahre lang eine Menschenrechtskommission gegeben. Die wurde aber auf Druck des damaligen UN-Generalsekretärs Kofi Annan aufgelöst – unter anderem deswegen, weil sie sich um vieles gekümmert hatte, nur nicht um Menschenrechte. Aber auch der Menschenrechtsrat verspielte schnell seine Glaubwürdigkeit. Seit Jahren steht Israel beinahe als einziges Land bei jeder Session auf der Tagesordnung.
Dass sich die israelische Regierung mittlerweile weigert, mit dem Menschenrechtsrat zu kooperieren, ist deswegen gut nachvollziehbar.
Dass sich die israelische Regierung mittlerweile weigert, mit dem Menschenrechtsrat zu kooperieren, ist deswegen gut nachvollziehbar. Nicht nur Francesca Albanese, auch anderen UN-Vertretern hat Jerusalem die Einreise nach Israel und in die Palästinensergebiete verweigert.
kritik Die Berichterstatterin Albanese ist in diesem gut eingespielten, von der internationalen Gemeinschaft mit einer Legitimität versehenen System sicher nur ein kleines Rädchen. Dass die Juristin ihre schlechte Behandlung als weiteren Beleg für das angebliche Fehlverhalten Israels ausschlachten kann, ist kaum von Bedeutung. Und natürlich ist nicht jede Kritik der Vereinten Nationen an Israel abwegig – frei nach dem Sprichwort »Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn«.
Dass Personen wie Francesca Albanese aber mittlerweile den Mainstream der UN-Menschenrechtspolitik im Nahen Osten repräsentieren, sagt viel über den beklagenswerten Zustand der Weltorganisation aus. Ihre Ernennung war ganz sicher kein Ausrutscher, sondern ein Muster.
Der Menschenrechtsrat tickt halt anders, könnte man jetzt einwenden. Das tut er ganz sicher: Er tickt nicht ganz richtig.
Der Autor ist Auslandskorrespondent dieser Zeitung und lebt in Brüssel.