Erinnerungskultur

»Wissen greifbar machen«

Andreas Nachama Foto: Gregor Zielke

Herr Nachama, es wird derzeit wieder über Gedenkstättenbesuche diskutiert. Wie wichtig sind diese Besuche?
Von Bedeutung ist, dass Besuche gut vor- und nachbereitet sein müssen. Wer nicht vorbereitet ist, kann zu Hause bleiben. Das Wichtige an einem Gedenkstättenbesuch ist ja, dass es Geschichtsunterricht an einem originalen Schauplatz ist. Man erlebt visuell, was man sonst nur liest, es sind geschulte Gedenkstättenmitarbeiter da, die Fragen zum historischen Ort beantworten. Wer auf diese Weise eine Gedenkstätte besucht, bei dem passiert etwas.

Gegen verpflichtende Besuche wird eingewendet, dass Jugendliche schnell in eine Antihaltung verfallen könnten.
Das kennen wir so nicht. Wir haben im Jahr etwa 3000 jugendliche Besuchergruppen, überwiegend Schulklassen, das sind etwa 60.000 Menschen. Das ist zwar bei insgesamt 1,3 Millionen Besuchern pro Jahr nicht so sehr viel, aber es ist doch eine wichtige Gruppe. Und bei jugendlichen Besuchern bemerken wir, dass sie es meist als wertvolle Abwechslung empfinden. Da steht nicht der Geschichtslehrer an der Tafel.

Ist das eine Besonderheit der »Topographie des Terrors«?
Schwer zu sagen. In die »Topographie« muss man nicht mit gesenktem Haupt gehen, hier müssen keine Kränze abgelegt werden, denn es ist ja ein Täterort. Das hilft uns, sachlich Wissen über das NS-System zu vermitteln. In aller Regel verlassen die Menschen unsere Dokumentation und haben hier etwas gelernt. Das ist ja die zentrale Aufgabe: Wissen über den NS-Terror zu vermitteln.

Wie gelingt das in der »Topographie«?
Auf unserem Gelände stand das Hauptquartier der Gestapo, gegenüber das damalige Reichsluftfahrtministerium, das heutige Bundesfinanzministerium, entlang läuft die Wilhelmstraße, die im nationalsozialistischen Berlin zentrale Regierungsmeile mit Reichskanzlei und vielen Ministerien war. Das hilft, das Wissen über das NS-System greifbarer zu machen.

Oft wird gefordert, dass gerade Flüchtlinge Gedenkstätten besuchen sollten. Ist das sinnvoll?
Bei uns in der Dokumentation arbeiten auch arabisch- und türkischsprachige Referenten. Zu Menschen, die als Flüchtlinge nach Deutschland kamen, sagen wir: Das kann in einem Land passieren, in dem nicht alle Menschen die gleichen Rechte haben. Dann heißt es oft: Bei uns haben ja alle die gleichen Rechte, und da fragen wir nach. Wie ist es mit den Christen, wie ist es mit den Frauen? Da kommen viele ins Nachdenken.

Also keine Abwehrhaltung?
Es ist sehr selten, dass Jugendliche sagen: Das interessiert mich nicht. Es ist vielmehr so, dass viele gerade durch den Besuch bei uns angeregt werden, sich mit Geschichte zu beschäftigen.

Mit dem Direktor der »Topographie des Terrors« in Berlin sprach Martin Krauß.

Diskussion

»Die kommenden vier Jahre sind entscheidend«

Im neuen Talkformat »Tachles Pur« analysierten vier Hauptstadtjournalisten Positionen der Parteien und ihrer Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl

von Ralf Balke  11.02.2025

Berlin

Gedenkort für früheres jüdisches Altenheim gefordert

Die Einrichtung stand dort, wo sich heute das Haus der Statistik befindet

 11.02.2025

Madrid

Der Likud bandelt mit den »Patrioten für Europa« an

Die Netanjahu-Partei erhält bei der rechten europäischen Sammlungsbewegung Beobachterstatus, FPÖ-Chef Kickl jubelt über das Ende der »internationalen Isolation«

von Michael Thaidigsmann  11.02.2025

Leer/Hamburg/Berlin

Trotz Steinmeier-Appell: Schoa-Überlebender gibt Orden zurück

Albrecht Weinberg wird sein Bundesverdienstkreuz zurückschicken – aus Protest gegen das Vorgehen der CDU im Bundestag. Weder der Bundespräsident, noch der CDU-Chef konnten ihn offenbar umstimmen

 11.02.2025

Meinung

Kanye West und der grassierende Antisemitismus in den USA

Die neuesten judenfeindlichen Eskapaden des Rapstars sind symptomatisch für eine bedrohliche Diskursverschiebung, die von Donald Trump und Elon Musk befeuert wird

von Ruben Gerczikow  10.02.2025

FU Berlin

Francesca Albanese soll an der FU Berlin sprechen

Nach der Absage an der LMU München soll die UN-Sonderbeauftragte nun in der Hauptstadt sprechen

 10.02.2025

München

»Die AfD ist die stärkste Bedrohung für jüdische Menschen in Deutschland«

Charlotte Knobloch äußert sich zum Vorgehen der Union Woche im Bundestag. Die AfD hatte zusammen mit CSU/CSU und FDP für eine Verschärfung des Asylrechts gestimmt

von Imanuel Marcus  10.02.2025

Interview

»Es gab keine Zusammenarbeit mit der AfD«

Der CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz über die Brandmauer zur AfD, den Schutz jüdischen Lebens und die besondere deutsche Verantwortung gegenüber Israel

von Joshua Schultheis, Philipp Peyman Engel, Tobias Kühn  10.02.2025

Meinung

Da kann man sich gleich Björn Höcke einladen

UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese hätte an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität sprechen sollen. Dabei hat sie sich für den akademischen Diskurs disqualifiziert

von Ralf Balke  10.02.2025