Frau Dagan-Levy, Israels Präsident Isaac Herzog will einen globalen Beirat der Juden gründen. Sie leiten das Projekt. Warum braucht es diesen Beirat?
Bereits vor über einem Jahr ist die Idee eines solchen Rats entstanden, weil etwas Großes geschaffen werden sollte, um jüdische Identität innerhalb, vor allem aber auch außerhalb Israels zu stärken. Nach dem 7. Oktober ist uns klar, dass diese Idee noch wichtiger geworden ist. Die Herausforderungen, mit denen die jüdischen Gemeinden und die Juden weltweit zu kämpfen haben, sind um ein Vielfaches gewachsen.
Was sind die aktuell größten Herausforderungen für Juden in der Diaspora?
Seit dem 7. Oktober hat sich der ohnehin schon sehr stark ausgeprägte Antisemitismus noch einmal deutlich verstärkt. Damit haben Juden weltweit zu kämpfen. Die Hamas-Massaker und die antisemitischen Reaktionen darauf haben uns vor Augen geführt, wie vulnerabel die jüdische Diaspora ist. Ich denke, dass ich nicht nur für mich spreche, wenn ich sage, dass vieles ins Wanken geraten ist, dessen wir uns vorher sicher waren.
Gilt das auch für den Blick der Diaspora auf Israel, die Lebensversicherung für Juden weltweit, wenn es hart auf hart kommt?
Israel war für viele Juden insofern unantastbar, als sie wussten, wenn irgendetwas ist, so habe ich dort ein Zuhause. Seit dem Krieg sind sich viele jüdische Menschen auf der Welt nicht mehr so sicher, ob das künftig so bleibt.
Was sind weitere Themen, mit denen sich der jüdische Beirat befassen will?
Die wirtschaftliche Diskriminierung von Juden und Israelis, die Verbesserung der jüdischen und nichtjüdischen Beziehungen, Leadership, Tikkun Olam, unser Umgang mit der jüdischen Kultur und dem jüdischen Erbe sowie die Herausforderungen jüdischer Identität heutzutage. Wir haben einen Katalog mit den zehn wichtigsten Problemfeldern zusammengestellt. Eines ist klar: Die Themen werden uns nicht ausgehen.
Israel muss sich gegen den Terror der Hamas, des Iran und seiner Verbündeten zur Wehr setzen. Diese Notwendigkeit verkennt der Westen oft. Wie nehmen Sie das Verhältnis westlicher Staaten zu Israel wahr?
In den vergangenen zehn Monaten ist sehr viel geschehen. Was am Morgen gesagt wird, gilt am Abend oft schon nicht mehr. Unsicherheiten sind gewachsen, aber auch die Solidarität mit Israel. Innerjüdisch betrachtet, ist ein unglaublicher Zusammenhalt entstanden. Seit dem 7. Oktober fühlen sich Menschen, die sich vorher nicht über ihr Judentum Gedanken gemacht haben, mit dem jüdischen Volk verbunden. Auch diese Menschen wollen wir mit »Voice of the People« ansprechen.
Mit der Geschäftsführerin des globalen Beirats »Voice of the People« sprach Nicole Dreyfus.