Ich schäme mich für meine Heimat, die unverantwortlich ihrem sogenannten Präsidenten folgend die Welt an den Rand des Krieges bringt. Nein, nicht alle Russen jubeln dem russischen Einmarsch in die Ukraine zu, Menschen auf der Krim wollen sicher nicht von einer bewaffneten Einheit regiert werden. Man findet kaum zwei Völker, die einander näherstehen als Russen und Ukrainer.
Hier in Deutschland kämpfe ich seit Jahren für den guten Ruf meiner Landsleute. Nein, sage ich immer wieder in den Interviews, nicht alle Russen sind schwulenfeindlich, nicht alle sind Rassisten, nicht alle unterstützen die Kriegsspiele ihres Präsidenten. Es wird mit den Jahren nicht leichter, Russland zu verteidigen.
Wohnungen Jedes Mal, wenn ich nach Russland fahre, frage ich meine Freunde, was ist los? Wie könnt ihr so leben? Jede freie Meinungsäußerung, jede Art Freiheit wird hier unterdrückt, im Fernsehen wird gelogen, was das Zeug hält. Seht ihr nicht, wie die Menschen hier über die Straßen schlurfen, sie schauen sich alle 50 Meter um, als ob sie jemand verfolgt! »Ja, das sehen wir, wir sind nicht blöd«, sagen meine Freunde. »Aber warum denkst du, die Freiheit würde diese Menschen heilen? Die Menschen hier brauchen keine Freiheit, sie brauchen günstige Kredite und bezahlbare Wohnungen, das bekommen sie von Putin. Nur so kann dieses Land funktionieren.«
Der Westen strengt sich an, in den Kopf Putins hineinzuschauen, die Russen versuchen es nicht einmal. Sie folgen ihm einfach. Er ist homophob, also gehen sie auf die Straße, um gegen Schwule zu demonstrieren. Er mag keine moderne Kunst, sie plündern Galerien. Er lässt die Armee bei den Nachbarn einmarschieren, sie schreien: »Die Krim gehört uns!« Und sie denken nicht an ein Leben nach Putin, das in ein paar Jahren kommen wird. Wenn er eines Tages während eines Fluges mit Störchen abstürzt, zu tief taucht oder von einem Leoparden gefressen wird, was tun sie dann?
Der Autor stammt aus Moskau und ist Schriftsteller in Berlin.