Covid-19

»Wir sind nicht machtlos«

Jolanda Schottenfeld-Naor über Schulen in Corona-Zeiten und effektive Strategien gegen das Virus

von Philipp Peyman Engel  19.11.2020 11:01 Uhr

Dr. Jolanda Schottenfeld-Naor Foto: privat

Jolanda Schottenfeld-Naor über Schulen in Corona-Zeiten und effektive Strategien gegen das Virus

von Philipp Peyman Engel  19.11.2020 11:01 Uhr

Frau Dr. Schottenfeld-Naor, bei den Beratungen von Bund und Ländern über etwaige Verschärfungen der Anti-Corona-Maßnah­men spielt die Frage der Schulen eine ganz zentrale Rolle. Wie bewerten Sie das als Ärztin: Sind die Schulen Treiber der Corona-Pandemie?
Die epidemiologische Studienlage ist vollkommen klar: Kinder und Jugendliche können sich sowohl selbst mit dem Coronavirus infizieren als auch es auf andere Menschen übertragen. Zum Glück sind die allermeisten, wirklich das absolute Gros, der infizierten Kinder asymptomatisch oder haben nur leichte Symptome. Das Heimtückische an der Sache ist aber, dass das Virus deshalb sehr leicht unerkannt weitergegeben werden kann, was dann wiederum die Rate der Neuinfektionen auch bei Risikogruppen signifikant erhöht.

Was folgt für Sie daraus im Umgang mit dem Virus an Schulen?
Dass wir uns gegen Covid-19 möglichst gut wappnen müssen. Und da sind wir alles andere als machtlos. Wir haben effektive Strategien gegen das Virus.

Welche sind das?
Ich berate als Ärztin die Yitzhak-Rabin-Grundschule der Jüdischen Gemeinde Düsseldorf. Dort ist es Pflicht, dass alle Schüler einen Mund-Nasen-Schutz und alle Lehrer eine FFP2-Maske tragen. Das sollte unbedingt auch bundesweit Praxis werden. Zudem führen wir an der Schule bei Lehrern und Erziehern alle 14 Tage Reihentests durch, um bei Neuinfektionen schnell reagieren zu können. Sehr effektiv ist es auch, die Klassen zu halbieren und den Schulalltag so zu organisieren, dass sich die einzelnen Schülergruppen untereinander nicht begegnen. Sollte es dennoch zu einer Infektion kommen, kann sich das einzelne Cluster in Quarantäne begeben, ohne dass gleich die gesamte Schule schließen muss.

Seit Beginn der ersten Corona-Welle ist mehr als ein halbes Jahr vergangen. Haben Sie den Eindruck, dass die Politik es geschafft hat, für die Schulen angemessene Konzepte zu entwickeln?
Nein. Um es ganz klar zu sagen: Das wurde von den zuständigen politischen Entscheidungsträgern komplett verschlafen. Jedem ernst zu nehmenden Mediziner war ja spätestens im Sommer klar, dass der Herbst und der Winter die Infektionsraten wieder in die Höhe treiben werden. Diese Zeit hätten wir nutzen müssen.

Nächste Woche ist ein weiterer Corona-Gipfel geplant. Halten Sie es für realistisch, dass es Lockerungen geben könnte?
Aus medizinischer Sicht spricht nichts dafür. Die Anzahl der Neuinfektionen muss dringend signifikant kleiner werden, sonst werden unsere Intensivstationen, die ohnehin schon oft am Limit sind, überlastet. Es ist unsere ethische Pflicht als Gesellschaft, die älteren und kranken Menschen zu schützen.

Mit der Internistin, die Vorstandsmitglied im Bundesverband Jüdischer Mediziner ist, sprach Philipp Peyman Engel.

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