Ein mutmaßlicher Unterstützer der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) ist wegen eines geplanten Anschlags auf die israelische Botschaft in Deutschland in Untersuchungshaft genommen worden. Ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof in Karlsruhe habe Haftbefehl gegen den Libyer erlassen, sagte eine Sprecherin des Generalbundesanwalts der Deutschen Presse-Agentur. Den Ermittlungen zufolge wollte der Mann die Botschaft in Berlin mit Schusswaffen angreifen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach von einem »feigen Anschlagsplan«, der verhindert worden sei. Innenministerin Nancy Faeser wies auf die hohe Terrorgefahr in Deutschland hin und betonte die Bedeutung des Schutzes jüdischer und israelischer Einrichtungen. »Wir handeln mit höchster Wachsamkeit und Aufmerksamkeit angesichts der hohen Bedrohungslage durch islamistische, antisemitische und israelfeindliche Gewalt«, sagte die SPD-Politikerin.
Der Fall heizt die Debatte über die Maßnahmen zum Schutz vor Terror in Deutschland neu an. Politiker von CDU und Grünen forderten mehr Mittel für die Sicherheitsbehörden. Die SPD rief die Union dazu auf, ihre Ablehnung des sogenannten Sicherheitspakets der Ampel-Regierung aufzugeben.
Durchsuchungen auch in NRW
Die Botschaft bestätigte, dass es einen Plan für einen Anschlag auf die diplomatische Vertretung gegeben habe. Zuerst hatte die »Bild«-Zeitung über die Festnahme eines 28-Jährigen am Samstag in Bernau bei Berlin am nördlichen Rand der Hauptstadt berichtet. Wie eng seine Verbindungen zum Islamischen Staat (IS) waren, ist - zumindest öffentlich - nicht bekannt.
Die Wohnung des Beschuldigten in Bernau wurde durchsucht, wie ein Sprecher der Bundesanwaltschaft der Deutschen Presse-Agentur sagte. Im Rhein-Sieg-Kreis in Nordrhein-Westfalen hätten Einsatzkräfte zudem die Wohnung einer nicht tatverdächtigen Person durchsucht. Der »Bild« sagte der Sprecher, in Sankt Augustin bei Bonn seien nur Zeugen befragt und mögliche Beweise gesichert worden.
Nach »Bild«-Informationen waren die deutschen Behörden dem Mann durch einen konkreten Hinweis ausländischer Nachrichtendienste auf die Spur gekommen. Ziel der Anschlagspläne sei die israelische Botschaft in Berlin gewesen. Ob bei dem Angriff Waffen oder Sprengstoff zum Einsatz kommen sollten, sei noch unklar, schrieb die »Bild«. Es habe Hinweise gegeben, dass der Tatverdächtige nach dem Anschlag zu einem Verwandten nach Sankt Augustin flüchten und sich danach ins Ausland absetzen wollte. Dieser Verwandte gelte derzeit nicht als Beschuldigter, sondern als Zeuge.
Dank des israelischen Botschafters
Israels Botschafter Ron Prosor dankte den deutschen Sicherheitsbehörden, »dass sie die Sicherheit unserer Botschaft gewährleisten«. »Der muslimische Antisemitismus beschränkt sich nicht auf hasserfüllte Rhetorik, sondern fördert den weltweiten Terrorismus«, teilte Prosor der dpa mit. »Die Mitarbeiter der israelischen Botschaft sind besonders gefährdet, weil sie an vorderster Front der Diplomatie stehen.«
Der Staat Israel hatte das Grundstück samt einer Villa in der Auguste-Viktoria-Straße im Südwesten Berlins 1998 erworben. Die Botschaft und die Residenz des Botschafters wurden am 9. Mai 2001, dem 53. Unabhängigkeitstag des Staates Israel, in Anwesenheit des damaligen Außenministers und späteren Staatspräsidenten Schimon Peres eingeweiht.
Reul: »Wir sind euch auf der Spur!«
Nach dem Terrorangriff islamistischer Terroristen auf Israel am 7. Oktober 2023 war auch in Deutschland eine starke Zunahme antisemitischer Vorfälle registriert worden. »Die Hemmschwelle, zu Gewalt gegen Juden aufzurufen und auch auszuüben, sinkt«, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, der dpa Anfang Oktober.
In den »heute«-Nachrichten am Sonntag erklärte Schuster, der Vorfall zeige, dass aus einer abstrakten schnell eine konkrete Gefahr werden könne.
Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte der »Bild« am Samstagabend, die Sicherheit jüdischer Einrichtungen habe oberste Priorität. »Dieser Zugriff heute war ein Erfolg – aber gleichzeitig auch eine Warnung an die Personen, die jüdisches Leben in Deutschland bedrohen wollen: Wir sind euch auf der Spur!«
Bundesjustizminister warnt vor islamistischem Terror
Die Bundesanwaltschaft ist unter anderem für Taten des islamistisch motivierten Terrorismus zuständig. Generalbundesanwalt Jens Rommel machte diesen bei der Jahresbilanz seiner Behörde als eine der Hauptgefahren für Deutschland aus. Von mehr als 700 im vergangenen Jahr eingeleiteten Ermittlungsverfahren aus dem Bereich Terrorismus und Staatsschutz betrafen Rommel zufolge knapp 500 den islamistischen Terrorismus.
Justizminister Marco Buschmann warnte am Sonntag eindringlich vor islamistischem Terror hierzulande. Besonders häufig seien israelische Einrichtungen betroffen, sagte der FDP-Politiker der dpa. »Der Schutz israelischer Einrichtungen in Deutschland ist besonders wichtig in diesen Zeiten, in denen fanatischer Israelhass und Antisemitismus weltweit Zulauf haben - und der islamistische Terrorismus immer neue Anhänger findet.« Man werde weiterhin »alles daran setzen, dass die gefährlichen Pläne der Israelhasser und Antisemiten nicht aufgehen«.
Sicherheitsvorkehrungen zunächst nicht verschärft
Die Sicherheitsvorkehrungen an jüdischen und israelischen Einrichtungen in Berlin wurden zunächst nicht weiter verschärft. Die Polizei wies darauf hin, dass sie jetzt schon hoch seien. Derzeit würden mehr als 160 Objekte bewacht, sagte Sprecherin Beate Ostertag. Für die israelische Botschaft gelte generell ein »maximal hohes Level«. Durch die Festnahme habe sich die Lage zunächst nicht geändert. Die Berliner Polizei bewerte die Situation aber ständig neu und stehe dazu mit nationalen und internationalen Behörden im Austausch.
Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), in dessen Bundesland der Libyer festgenommen wurde, rief zum gemeinsamen Engagement gegen Hass auf. »Islamistischer Terrorismus bedroht das Leben in unserer offenen Gesellschaft und insbesondere jüdisches Leben«, sagte er der dpa. »Das nehmen wir, das nehme ich nicht einfach hin, sondern fordere alle auf, sich mit aller Kraft gegen den Hass zu stellen.« dpa/ja