Eine amerikanische Spezialeinheit hat einen Mann getötet, der Amerika offen den Krieg erklärt hatte; der für den Tod von 3.000 US-Bürgern und Abertausenden Muslimen verantwortlich ist. Einen Mann, der allen bisherigen Erkenntnissen zufolge weitere Attentate plante und in einem großzügigen Anwesen lebte, während sich andere für ihn ins Paradies bombten. Und hierzulande gibt es eine hitzige Debatte darüber, ob die Tötung Osama bin Ladens ein »barbarischer Racheakt« der unzivilisierten Amerikaner gewesen sei. Das passt zu einer Gesellschaft, die von »gewachsener außenpolitischer Verantwortung« spricht, sich jedoch jeden sicherheitspolitischen Dreck von den USA wegräumen lässt. Die sich etwas darauf einbildet, aus der Geschichte gelernt zu haben – und nicht den geringsten Sinn für die moralischen Dilemmata und Grauzonen der Politik aufbringt.
Die gegenwärtige Diskussion erinnert auf fatale Weise an diejenige, die unmittelbar nach dem 11. September 2001 geführt wurde. Damals war ebenfalls so gut wie keine Sympathie für die Angegriffenen aus den Hauptquartieren des deutschen Kommentariats zu vernehmen, sondern ein eiskaltes »So was kommt von so was«. Die Amis hätten sich diesen Terrorakt selbst zuzuschreiben, deren Nahostpolitik sei nun mal bescheuert – obwohl sie zuvor alles gegeben hatten, um einen Frieden in der Krisenregion zu vermitteln. Sie hätten diesen unmöglichen Bush gewählt – obwohl dieser bis dahin noch keine Gelegenheit hatte, so schrecklich zu sein, wie man es ihm unterstellte. Und diese enorme Frustration der Attentäter!
Sicherlich, es wäre der Sache zuträglich, ein paar intelligente Fragen zu den Unklarheiten des Völkerrechts zu stellen. Unerträglich jedoch ist die moralinsaure Überheblichkeit der Debatte. Der Mangel an Empathie für die Verletzungen der Opfer. Und die ungebrochene »Inschutznahme« für Täter, die für totalitäre Gedankensysteme stehen.
Die Autorin ist Chefredakteurin der Zeitschrift »Internationale Politik«.