Herr Mützenich, Sie haben kürzlich in einem Interview Sorge über den Wahlausgang in Israel zum Ausdruck gebracht. Warum?
Weil Premierminister Netanjahu vor einer schwierigen Regierungsbildung steht und das Wahlergebnis befürchten lässt, dass dafür unterschiedliche Koalitionspartner erforderlich sind. Und weil möglicherweise konservative und rechte Kreise Teil der Regierung sein werden, mit weitergehenden Forderungen, als Netanjahu sie im Wahlkampf für den Likud präsentiert hat. Und wir stehen vor der Herausforderung, dass US-Präsident Trump einen Vorschlag für Frieden in Nahost und das Verhältnis zwischen Israel und Palästina vorlegen wird.
Sie sagten, in einer Freundschaft mit Israel seien auch »klare Worte zu sprechen«. An welcher Stelle?
Insbesondere in Bezug auf die Frage der Zweistaatenlösung. Wir sind immer noch der festen Überzeugung, dass das ein Weg sein kann, einen verlässlichen Frieden zu erreichen. Das werden wir auch als Mitglied im UN-Sicherheitsrat deutlich machen.
Der SPD-Bundestagsabgeordnete Nils Schmid hat am 14. März im Parlament gesagt, die Bundeskanzlerin habe 2008 »das Existenzrecht Israels« zum Teil der Staatsräson erklärt. Rückt die SPD von Sicherheitszusagen gegenüber Israel ab?
Wir rücken von gar nichts ab. Es geht darum, dass in Israel wirklich eine andere Definition von Sicherheit existiert, als wir das vor dem Hintergrund einer Politik sehen, die auf Kooperation und Koexistenz basiert. Ich kann für die SPD-Bundestagsfraktion und für mich persönlich sagen, dass wir in den kommenden Monaten darauf achten werden, dass das Völkerrecht von allen Seiten beachtet wird.
Sollte es bei Meinungsunterschieden zum Beispiel in Bezug auf die israelische Präsenz auf dem Golan bleiben, ist die Staatsräson dann eine andere?
Es geht nicht darum, das gegeneinander auszuspielen. Das Völkerrecht ist für uns handlungsleitend. Auf dem Golan sind syrische Gebiete bis heute besetzt. Wir sind der Meinung, dass hier eine Friedenslösung gefunden werden muss, die möglicherweise auch territoriale Fragen beinhaltet. Eine einseitige Annexion kann nicht in unserem Interesse sein.
An welcher Stelle haben Sie Ihre Sorge über die am Wochenende in Ramallah erfolgte Regierungsbildung geäußert, die übrigens nicht infolge einer demokratischen Abstimmung vonstattenging? Dort fanden die letzten Wahlen 2006 statt.
Das haben wir schon längst getan, und ich glaube, dass man das nicht gegeneinander ausspielen muss. Aber ich halte das Vorgehen der Palästinensischen Autonomiebehörde, was die Regierungsbildung betrifft, für einen schwierigen Vorgang. Und ich denke, dass wir da ähnliche kritische Punkte sehen.
Mit dem stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion sprach Detlef David Kauschke.