Antisemitismus

»Wir müssen wachsam sein«

Führende Unionspolitiker haben bei einem Kongress der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Thema »Jüdisches Leben in Deutschland – Ist es gefährdet?« vor wachsendem Antisemitismus gewarnt und gleichzeitig betont, die Sicherheit der jüdischen Gemeinschaft in der Bundesrepublik habe oberste Priorität für die deutsche Politik.

»Dass Menschen jüdischen Glaubens sich in Deutschland sicher fühlen, ist für mich und für die ganze Bundesregierung, die Innenminister der Länder, für alle Polizeien in Bund und Ländern von ganz zentraler Bedeutung«, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) am Mittwoch vor etwa 300 Kongressteilnehmern im Reichstagsgebäude in Berlin.

Anstieg Der Innenminister, der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, sowie Franz-Josef Jung, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Kirchenbeauftragter der Unionsfraktion, nahmen Bezug auf einen Anstieg antisemitischer Straftaten im Jahr 2014 um 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 80 Prozent dieser Straftaten seien rechtsextremen Tätern zuzuordnen, so die Unionspolitiker. Doch auch bei antisemitischen Straftaten von Linksextremisten und Islamisten sei eine Steigerung zu verzeichnen.

De Maizière sprach insbesondere die Gefährdung jüdischer Einrichtungen in Europa nach den Anschlägen auf das jüdische Museum in Brüssel im Mai 2014 sowie in Paris und Kopenhagen Anfang 2015 auf einen koscheren Supermarkt und eine Synagoge an. Deutschland sei von Anschlägen dieses Ausmaßes bisher verschont geblieben: »Aber wir müssen wachsam sein.« Es wäre »fahrlässig optimistisch, anzunehmen, dass es heutzutage im Schengen-Raum unterschiedliche Ausmaße der Verwundbarkeit jüdischen Lebens gibt«, betonte de Maizière.

Die Zusammenarbeit zwischen den Behörden, jüdischen Einrichtungen vor Ort und dem Zentralrat der Juden in Deutschland sei sehr intensiv, sagte der Innenminister weiter: »Bei möglichen bundesweiten Gefährdungslagen aus dem Bereich des islamistischen Terrors erfolgt die Kommunikation über das Bundeskriminalamt und den Zentralrat der Juden in Deutschland.«

partnerschaft In einem »sehr schönen und vertrauensvollen ersten Gespräch« nach der Wahl von Josef Schuster zum Zentralratspräsidenten im November 2014 habe er sich intensiv mit Schuster über die Sicherheitsbedürfnisse der jüdischen Gemeinschaft ausgetauscht, sagte de Maizière: »Es gibt keine (andere) Institution oder Organisation, mit der wir in Deutschland eine so enge Partnerschaft im Interesse der Sicherheit jeden Tag pflegen.«

Zentralratspräsident Schuster sagte, er wisse, »dass wir uns beim Kampf gegen Antisemitismus auf die Bundesregierung und die Unionsfraktionen verlassen können«. Einen Zweifel an jüdischem Leben in Deutschland, betonte der Zentralratspräsident unter Beifall, »gibt es nicht und wird es auch in Zukunft nicht geben«. Dennoch hätten sich in Teilen der jüdischen Gemeinschaft Bedenken und Sorgen breitgemacht. Vor allem im vergangenen Sommer, so der Zentralratspräsident, sei islamistischer Antisemitismus »auf ganz widerliche Art und Weise in Erscheinung getreten«.

»Unter dem vermeintlich legitimen Deckmantel der Israel-Kritik wurden auf propalästinensischen Demonstrationen antisemitische Parolen skandiert, Rufe wie ›Juden ins Gas‹ und ›Judenschwein, kämpf allein‹ – auf Straßen in Deutschland. Synagogen waren im Visier von Brandanschlägen, Juden wurden auf offener Straße angegriffen«, erinnerte Schuster an verschiedene Vorfälle des Sommers 2014.

zuhörer An die Politik appellierte Schuster: »Hören Sie uns, der jüdischen Gemeinschaft, weiterhin zu. Wenn wir auf den Antisemitismus in unserer Gesellschaft aufmerksam machen, dann nicht etwa, weil wir sensibel im Sinne der Überempfindlichkeit sind. Nein: Wir sind sensibel im Sinne der wachsamen Aufmerksamkeit.«

Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, erklärte: »Antisemitismus ist kein Problem des Staates Israel und kein Problem der Juden, die hier in Deutschland leben, sondern es ist das alleinige Problem von uns hier in Deutschland.« Antisemitismus müsse öffentlich benannt werden, auch wenn es sich bei den Trägern des Judenhasses um Muslime und/oder Araber handele: »Wer Deutscher werden will, muss wissen, dass in unserem Land das Existenzrecht Israels zur Staatsräson gehört«, betonte Kauder.

An einer anschließenden Podiumsdiskussion nahmen unter anderem Zentralratspräsident Schuster, der Direktor des Moses-Mendelssohn Zentrums in Potsdam, Julius H. Schoeps, der Berliner Rabbiner Daniel Alter und die Hauptschullehrerin Lisa Scheremet teil. Scheremet, die in Niedersachsen unterrichtet, berichtete über ihre Erfahrungen mit antisemitischen Äußerungen muslimischer Schüler: »Es ist ziemlich furchtbar, was ich jeden Tag erlebe.« »Jude« sei ein alltägliches Schimpfwort. In Richtung der Politiker sagte die Pädagogin: »Ich bin sehr gerührt von diesem Engagement, das ich hier sehe, aber an der Basis bekommen wir davon nichts mit.«

Mehr zum Kongress der CDU/CSU-Bundestagsfraktion lesen Sie in der nächsten Printausgabe der Jüdischen Allgemeinen.

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