Seit Wochen ist der Journalist Nicholas Potter das Ziel einer Rufmordkampagne, angestoßen von einer dubiosen Online-Plattform und befeuert von israelfeindlichen Aktivisten. Jetzt stellt sich der Zentralrat der Juden hinter den Journalisten.
»Der Fall Nicholas Potter muss eine Warnung sein, dass radikale Gruppen unsere Medienöffentlichkeit unterlaufen wollen«, erklärte ein Sprecher des Zentralrats. Er betont: »Wir haben Potter als einen mutigen Journalisten kennengelernt, der stets an der Wahrheit einer Geschichte interessiert ist. Wer ihn bedroht und diffamiert, der hat keine Argumente. Wir dürfen das als Gesellschaft nicht zulassen.«
Recherche zu Propaganda-Portal löste Hetzkampagne aus
Nicholas Potter recherchiert seit Jahren zum Thema Antisemitismus, auch in der politischen Linken. Im Oktober veröffentlichte er in der »taz« eine Recherche zum Propaganda-Portal »Red«, das sich in der propalästinensischen bis israelfeindlichen Szene einer großen Leserschaft erfreut.
Das Portal arbeitet mit antisemitischen Organisationen wie »Palästina spricht« oder der »Jüdischen Stimme für einen gerechten Frieden« zusammen, führt Interviews mit Terroristen der Hisbollah und des Islamischen Dschihad und wird vermutlich vom Kreml finanziert, wie Potter anhand der Analyse interner Papiere der russischen Propaganda-Agentur SDA herausfand. Russlands Ziel: westliche Gesellschaften mit gezielten Desinformationskampagnen destabilisieren.
»Red« streitet die Vorwürfe ab und geht dafür in den Angriff über. Potter sei Teil von »Deutschlands pro-israelischem Propaganda-Komplex«, behauptete die Plattform im Dezember auf X. Der Journalist werbe für »Israels Genozid« und habe deshalb einen Job bei der »Jerusalem Post«, einer israelischen Zeitung, bekommen.
Hass im Internet und auf den Straßen Berlins
Außerdem kritisierte das mutmaßlich vom Kreml finanzierte Portal, dass Nicholas Potter auch Beiträge für die Jüdische Allgemeine verfasst hat. Einer davon, über Antisemitismus in der Klima-Bewegung »Fridays for Future«, den er zusammen mit Joshua Schultheis veröffentlicht hat, wurde für den Theodor-Wolff-Preis nominiert. Für »Red« ist die Jüdische Allgemeine trotz der Nominierung für den renommierten Journalistenpreis Teil eines Propaganda-Netzwerks und dazu noch »kompromisslos zionistisch«.
Seit den Postings von »Red« wird Nicholas Potter auch von Aktivisten angegangen, im Internet und auf den Straßen von Berlin. Wie der »Tagesspiegel« berichtet, hängen in Teilen der Stadt Aufkleber mit Potters Konterfei, die ihn als »German Hurensohn« beleidigen. Online werde er als »menschenverachtender Rassist« beschimpft, einige wünschten ihm sogar den Tod.
Angriffe auf Journalisten häufen sich
Die Kampagne gegen Nicholas Potter bestätigt einen Trend, den die Gewerkschaft Deutsche Journalistinnen- und Journalisten Union (DJU) schon seit längerem beobachtet: Hass und Gewalt gegen Reporter und Fotografen nimmt in der propalästinensischen bis israelfeindlichen Szene zu. So wurden bei Demonstrationen der Szene im vergangenen Jahr rund 50 Journalisten angegriffen. Erst am Samstag traf es die Journalisten Yalcin Askin, Jörg Reichel und Levi Salomon, als sie in Berlin von einer Kundgebung berichten wollten.
Journalisten-Gewerkschaft solidarisiert sich mit Potter
Auch die DJU hat die Kampagne gegen Nicholas Potter »aufs Schärfste« verurteilt. »Dieser Fall zeigt eine neue und erschreckende Dimension der Gefahr: eine hybride Form der Propaganda, orchestriert durch Akteure, die gezielt Desinformationen und Hetze einsetzen, um unabhängigen Journalismus zu untergraben«, betont Peter Freitag, Co-Vorsitzender im DJU-Bundesvorstand, in einer Stellungnahme.
Die Gewerkschaft fordert von der Bundesregierung Sofortmaßnahmen, um die Arbeit von Journalisten zu schützen. »Die Pressefreiheit ist ein Grundpfeiler unserer Demokratie. Ohne nachhaltige Schutzkonzepte für unsere Kolleginnen und Kollegen bleibt sie ein leeres Versprechen«, erklärt Peter Freitag.
Nicholas Potter selbst hat sich gegenüber der DJU zum wachsenden Hass auf Journalisten geäußert: »Das ist ein Symptom autoritären Denkens und von Demokratiefeindlichkeit und darf sich bei uns nicht weiter ausbreiten. Die Radikalisierung mancher Aktivisten bereitet mir große Sorgen.«