Interview

»Wir fordern Einsicht«

Für die Linkspartei im Bundestag: Jan Korte Foto: Stephan Pramme

Herr Korte, laut Bundesverwaltungsgericht muss der Bundesnachrichtendienst (BND) die Akten zu Adolf Eichmann herausgeben. Jetzt hat der BND sogar eine Historikerkommission berufen. Was treibt Sie eigentlich noch um?
Dass die Aufarbeitung eines wichtigen Teils der Geschichte dieses Landes, konkret der personellen Kontinuitäten im Nationalsozialismus und der Bundesrepublik, angeblich ohne Druck von außen geschieht, ist eine große Legende. Wenn nicht sogar eine dreiste Lüge. Ebenso, dass die Bundesrepublik 1949 als blütenreine Musterdemokratie gegründet wurde.

Dennoch: Der BND gibt doch jetzt alles heraus, oder?
Das Problem ist nicht nur der BND, sondern das Bundeskanzleramt. Es blockiert, auch und gerade nach dem Urteil. Was die Öffentlichkeit nun im Fall Eichmann erfährt, sind nur kleine Häppchen.

Und Sie wollen den ganzen Kuchen?
Ja, denn es geht hier nicht nur um das Recht auf Einsicht. Wir reden auch nicht von einzelnen Dokumenten, sondern von Aktenmetern. Um das aufzuarbeiten, braucht es Geld und Personal. Dafür müsste man in einem Bundeshaushalt ausreichend Geld bereitstellen. Das Wichtigste aber ist, dass es einen politischen Willen zur Aufklärung gibt.

Jüngst wurde die Studie »Das Amt« über die NS-Vergangenheit des Auswärtigen Amtes vorgestellt. Warum stellen sich CDU und FDP in Sachen BND so quer?
Weil es ja auch um die Geschichte dieser beiden Parteien geht. Natürlich könnte die Konrad-Adenauer oder die Friedrich-Naumann-Stiftung wenigstens ein Symposium zu den personellen NS-Kontinuitäten in der Bundesrepublik veranstalten. Aber das wollen sie nicht. Denken Sie daran, dass etwa die FDP in Nordrhein-Westfalen in den 50er-Jahren maßgeblich von ehemaligen, üblen Nazis dominiert gewesen ist und schließlich ins Visier der Alliierten geriet. Es ist an der Zeit, dass die Partei dieses Kapitel endlich aufarbeitet.

»Das Amt« wurde von Joschka Fischer (Grüne) in Auftrag gegeben, von Frank-Walter Steinmeier (SPD) vorangetrieben und von Guido Westerwelle (FDP) vorgestellt. Gibt es nicht doch ein parteiübergreifendes Interesse, sich der Vergangenheit endlich zu stellen?
Natürlich ist das ein gewaltiger Schritt nach vorne. Man sollte jedoch nicht vergessen, dass das erst jetzt, viele Jahrzehnte nach dem Ende des NS-Regimes, geschehen ist. Es bedurfte der beharrlichen und oftmals angefeindeten Arbeit der Geschichtswerkstätten, von Persönlichkeiten wie Eugen Kogon und Martin Niemöller. Und: Es gibt immer noch Gegenwehr.

Warum? Weil der Vorstoß von der Linkspartei kommt?
Man wirft der DDR zu Recht vor, dass sie kein Rechtsstaat und eine Diktatur war. Die Bundesrepublik wird dagegen dargestellt als große Erfolgsgeschichte, als vorbildliche Überwindung jeglicher Diktatur. Durch die Erkennt- nisse zu personellen Kontinuitäten vom »Dritten Reich« hin zur Bundesrepublik würde diese Theorie allerdings infrage gestellt. Dass Eichmann gedeckt wurde und Klaus Barbie Mitarbeiter des BND war, passt nicht ins gewünschte Bild. Deshalb will das niemand aufarbeiten!

2009 wurden die sogenannten Kriegsverräter vom Bundestag rehabilitiert und als NS-Opfer anerkannt. Tut sich nicht doch etwas?
Ja, allerdings erst, nachdem wir den Druck so erhöht hatten, dass die CDU/CSU nicht mehr anders konnte. Die haben sich lange dagegen gewehrt. Letztlich war es in der Union ein Abwägen, das zugunsten liberaler Modernisierer und gegen den »Stahlhelmflügel« ausging. Das war ein wichtiges Ereignis. Trotzdem muss ein aufklärerischer Umgang mit der Vergangenheit Woche für Woche im Bundestag neu erkämpft werden. Dies werde ich weiter tun, auch wenn es nervt.

Mit dem Bundestagsabgeordneten der Linkspartei sprachen Torsten Haselbauer und Martin Krauß.

Deutschland

Rechtsextremismus beunruhigt Deutsche stärker als Zuwanderer

Antisemitische Vorurteile nehmen bei Türkeistämmigen zu, während die Angst vor Rechtsextremismus bei Deutschen ohne Migrationshintergrund besonders hoch ist. Was verrät die neue KAS-Studie noch?

 09.12.2025

Medien

Äußerst ungewöhnlicher Schritt: Irans Staatssender gesteht Fehler bei Kriegsberichterstattung ein

Nach dem Krieg gegen Israel gesteht der Präsident des iranischen Staatssenders eine Falschmeldung ein. Die Hintergründe

 09.12.2025

Umfrage

KAS-Studie: Antisemitische Vorurteile nehmen bei Türkeistämmigen zu

Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat eine neue Studie zum Zusammenleben in der Einwanderungsgesellschaft vorgelegt. Dabei wurden auch Einstellungen zu Juden abgefragt

 09.12.2025

Naher Osten

Bericht: Keine Rolle für Tony Blair bei Gaza-Friedensrat

Anstelle Blairs ist der bulgarische Diplomat und ehemalige Nahostgesandte Nickolay Mladenov im Gespräch, wie die »Financial Times« vermeldete

 09.12.2025

Frankfurt am Main

Lufthansa Cargo stoppt Militärtransporte nach Israel

Während die politischen Beziehungen zwischen Berlin und Jerusalem eine Annäherung erleben, ist dies im Luftfahrt-Bereich nicht der Fall. Warum?

 08.12.2025

Berlin

Presseschau zum Israel-Besuch von Kanzler Friedrich Merz

Wie bewerten deutsche Leit- und Regionalmedien Merz‘ Antrittsbesuch bei Ministerpräsident Benjamin Netanjahu?

 08.12.2025

Toronto

Miriam Mattova aus Uber geworfen, weil sie Jüdin ist

»Was passiert ist, ist nicht nur ein unangenehmer Moment. Es ist eine Erinnerung daran, warum es wichtig ist, sich zu äußern«, sagt das Model

 08.12.2025

Gaza

Wie die Hamas Hilfsorganisationen gefügig machte

Einer Auswertung von »NGO Monitor« zufolge konnten ausländische Organisationen in Gaza nur Hilsprojekte durchführen, wenn sie sich der Kontrolle durch die Hamas unterwarfen

von Michael Thaidigsmann  08.12.2025

Jerusalem

Ein neuer Sound?

Unterwegs mit Bundeskanzler Friedrich Merz bei seiner Antrittsreise in Israel

von Philipp Peyman Engel  07.12.2025