Europäische Union

»Wir brauchen solche Impulse«

Katharina von Schnurbein, Antisemitismusbeauftragte der Europäischen Kommission Foto: Marco Limberg

Frau von Schnurbein, was steht für 2020 auf Ihrer Agenda?
Gleich zu Beginn ist der 75. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz am 27. Januar zu nennen. Es hat einen hohen symbolischen Wert, dass dazu ein World Holocaust Forum in Israel stattfinden wird.

Israels Präsident Reuven Rivlin hat Regierungschefs eingeladen, sich diesem »heiligen Augenblick der Erinnerung und des Engagements« anzuschließen. Welches Signal könnte davon ausgehen?
Ich hoffe, es ist die klare Botschaft, dass der Holocaust nicht aus dem Nichts kam. Es ist der Antisemitismus, der zum Holocaust geführt hat – und der sich heute wieder so vehement in verschiedener Form zeigt. Wir brauchen das Signal, dass dagegen konkret und konsequent vorgegangen wird.

EU-Kommissar Margaritis Schinas hat gesagt, dass man nur bekämpfen kann, was sich klar definieren lässt. Wie steht es um die Antisemitismusdefinition?
Immer mehr Mitgliedstaaten übernehmen die Antisemitismusdefinition der Internationalen Allianz für Holocaust-Gedenken (IHRA), wie kürzlich beispielsweise Zypern. Wir werden uns auch in der nächsten Sitzung im März mit der Anwendung der IHRA-Definition im Bereich Datenerhebung, Opferschutz und Unterstützung beschäftigen. Die Annahme der Definition ist nur der erste Schritt. Aber sie muss sich dann auch durchsetzen, beispielsweise bei Polizei, Justiz und Schule. Das ist nur durch Aus- und Fortbildung möglich.

Bis Ende 2020 sollen alle EU-Mitgliedstaaten Strategien erarbeiten, die vor Ort umgesetzt werden können. Welche sind das?
Die bereits genannten Aus- und Fortbildungen gehören dazu, ebenso wie strukturelle Reformen von Curricula und schulischen Stundenplänen in Bezug auf die Darstellung von Juden, Schoa, Nahostkonflikt und heutigem jüdischen Leben in Europa. Auch brauchen wir neue Formen des Gedenkens. Damit haben wir uns in der Antisemitismus-Arbeitsgruppe der Europäischen Kommission – die Vertreter der EU-Länder mit jüdischen Vertretern zusammenbringt – beschäftigt, die sich kürzlich in Brüssel zum Thema Bildung traf. Da gibt es Best-Practice-Beispiele, aber keine einheitlichen Programme. Bildung ist Mitglieds- und Länderkompetenz. Aber wir unterstützen hier.

Erwarten Sie einen besonderen Akzent, wenn Deutschland Mitte 2020 die EU- Präsidentschaft übernimmt?
Von Deutschland war zu hören, dass die Antisemitismusbekämpfung ein Schwerpunkt der Präsidentschaft sein wird. Das ist wichtig, weil wir solche Impulse brauchen. Zudem ist in Berlin eine Konferenz zum Thema geplant, bei der bereits eine erste Bestandsaufnahme in Bezug auf die Strategien vorgenommen werden soll. Wir erhoffen uns viel von der Präsidentschaft und arbeiten eng zusammen.

Mit der Antisemitismusbeauftragten der Europäischen Kommission sprach Detlef David Kauschke.

Nachruf

Keine halben Sachen

Die langjährige Nahost-Korrespondentin der WELT, Christine Kensche, ist gestorben. Ein persönlicher Nachruf auf eine talentierte Reporterin und einen besonderen Menschen

von Silke Mülherr  10.01.2025

Meinung

Tiefpunkt für die Pressefreiheit

An der besetzten Alice Salomon Hochschule versuchte die Rektorin zusammen mit israelfeindlichen Aktivisten, die journalistische Berichterstattung zu verhindern

von Jörg Reichel  10.01.2025

Alice Salomon Hochschule

Nach Besetzung: Hochschulleitung soll Journalisten behindert haben

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union erhebt schwere Vorwürfe gegen die Leitung

 10.01.2025 Aktualisiert

Nachruf

Eine unabhängige Beobachterin mit Herzensbildung

WELT-Chefredakteur Jan Philipp Burgard nimmt Abschied von Israel-Korrespondentin Christine Kensche

von Jan Philipp Burgard  10.01.2025

Interview im "Playboy"

Marcel Reif: Antiisraelische Hetze bei Demos ist Judenhass

»Ich hätte mir gewünscht, dass der Rechtsstaat viel schneller und viel härter eingreift«, sagt der Sportkommentator

 10.01.2025

USA

Kreuzritter 2.0? - Ein designierter US-Verteidigungsminister mit Kreuz(zug)-Tattoo

Pete Hegseth steht wegen seiner Tätowierungen in der Kritik. Angeblich symbolisieren sie eine Kreuzzugsideologie. Was hinter Jerusalemkreuz und Co. steckt

von Andrea Krogmann  10.01.2025

USA

Los Angeles: Auch jüdische Stars verlieren Häuser

Dazu gehören Adam Brody und Steve Guttenberg, der den Behörden half, Bewohner zu evakuieren

 10.01.2025

Washington D.C.

Wegen Haftbefehl gegen Netanjahu: US-Repräsentantenhaus beschließt Sanktionen gegen IStGH

Nun muss der Senat den Gesetzentwurf bestätigen. Auch dort haben die Republikaner eine Mehrheit

von Imanuel Marcus  10.01.2025

Meinung

Hitler ein Linker? Der »Vogelschiss«-Moment der Alice Weidel

Mir ihren Aussagen zu Adolf Hitler im Gespräch mit Elon Musk hat die AfD-Chefin erneut ihre Inkompetenz bewiesen

von Michael Thaidigsmann  10.01.2025