Der Ramadan hat begonnen. Wir gratulieren unseren muslimischen Freundinnen und Freunden. Wir denken an euch und wissen: »Gott will für euch das Leichte, und er will für euch nicht das Schwere.« So lauten die Koran-Verse, die das Fasten tagsüber nicht als ein Problem, sondern als eine Freude bezeichnen. Das lang ersehnte abendliche Iftar-Essen sowie Begegnungen mit Familien und Freunden – und hoffentlich auch mit den Dialogpartnern – sind eine schöne Tradition.
Doch findet ihr das nicht paradox, wenn in der Frankfurter Freßgass die imposante Ramadan-Beleuchtung zu sehen ist und parallel dazu die Einfahrt in die großen Straßen und die Zentren der Großstädte mit Betonblöcken gesichert werden müssen? Damit Islamisten, diese Fanatiker, die euren Glauben für Hass benutzen, mit einem Lkw als Waffe keine Menschen töten können. Das Fasten und die Koranlektüre im Islam sollten Menschen weiterbringen, ähnlich wie das Fasten und die Toralektüre im Judentum.
Heute denke ich: Die Bekenntnisse sind wichtig, doch entscheidend ist, dass ihr handelt.
Nach dem 7. Oktober 2023 dachte ich wie so viele: Sagt, sagt laut, dass ihr als Muslime den Hamas-Terror verurteilt! Heute denke ich: Die Bekenntnisse sind wichtig, doch entscheidend ist, dass ihr handelt. Wenn vor einer Kneipe in Berlin ein jüdischer Student zusammengeschlagen wird, in der Schule wieder Juden gemobbt werden oder man auf der Straße zum 100. Mal »Israel, Kindermörder!« brüllt, müsst ihr einschreiten.
Auch wir Juden wissen, dass jede Biografie und jede Diskriminierungserfahrung von euch Muslimen zählt und wir für euch einstehen müssen, sollte irgendwo eine »Remigration« eurer Familien geplant werden. Genauso wenig lässt uns das Leid der Zivilbevölkerung in Gaza kalt. Wenn wir sagen, dass der jüdisch-muslimische Dialog alternativlos ist, wollen wir keinen Aktionismus betreiben. Das Innehalten ist, neben politischer und menschlicher Wachsamkeit, das Gebot der Stunde. Muslime und Juden in Deutschland – wir brauchen einander. Ramadan Kareem!
Der Autor leitet die »Denkfabrik Schalom Aleikum« des Zentralrats der Juden.