Antisemitismus

»Wir brauchen die Zivilgesellschaft«

Felix Klein über zunehmende Judenfeindlichkeit und die Verantwortung von Bürgern, Kommunen und Justiz

von Katrin Richter  28.05.2020 08:58 Uhr

Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus Foto: Gregor Zielke

Felix Klein über zunehmende Judenfeindlichkeit und die Verantwortung von Bürgern, Kommunen und Justiz

von Katrin Richter  28.05.2020 08:58 Uhr

Herr Klein, die Zahl antisemitischer Vorfälle nimmt zu. Wie bewerten Sie diese Entwicklung?
Ich verstehe diese besorgniserregenden Zahlen weiterhin als Auftrag, im Kampf gegen Antisemitismus nicht nachzulassen. Wir müssen Judenhass sichtbar machen. Nicht nur die Spitze des Eisbergs, sondern auch das, was sich darunter verbirgt. Hier setzt das Projekt RIAS an, das die Fälle erfasst, die unterhalb der Strafbarkeitsgrenze liegen.

Vor dem Hintergrund der 1253 Fälle, die von der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) erhoben wurden: Wie wirksam sind Präventionsmaßnahmen?
Wir haben in den vergangenen zwei Jahren viel erreicht. Sowohl bei der Repression – also dass künftig Täter bei Hass und Hetze im Internet schneller dingfest gemacht werden können oder dass antisemitische Tatmotive strafverschärfend gewertet werden – als auch bei der Prävention, wie zum Beispiel über das Programm des Bundesinnenministeriums »Zusammenhalt durch Teilhabe«. Die Zahlen besorgen mich sehr. Der Staat allein wird es allerdings nicht richten können. Wir brauchen eine wachsame und mutige Zivilgesellschaft.

Viele schauen bei Angriffen und Beleidigungen weg. Wie kann hier Zivilcourage gefördert werden?
Die Menschen müssen erkennen, dass es auch sie selbst und unser aller Lebensweise betrifft, wenn jemand antisemitisch oder rassistisch beleidigt wird. Dass es gegen unsere Werte und gegen unsere freiheitlich-demokratische Gesellschaft geht. Es ist eine Bürgerpflicht, gegen jede Form von Ausgrenzung und Diskriminierung anzugehen.

Auf sogenannten Hygiene-Demos wird eine hohe Zahl judenfeindlicher Delikte registriert. Für wie gefährlich halten Sie diese Kundgebungen?
Ich halte diese Demonstrationen für hochgefährlich. Sie sind Sammelbecken für Antisemiten, Verschwörungswütige, Holocaust-
relativierer und Demokratiefeinde, die versuchen, Menschen für ihre Zwecke zu vereinnahmen.

Was sollten die Behörden vor Ort tun?
Sie sollten genauer prüfen, und die Polizei sollte schneller einschreiten, wenn der Holocaust geleugnet oder Maskenpflicht mit dem »Judenstern« verglichen wird.

Erwarten Sie von der Justiz ein härteres Durchgreifen?
Ja. In der Vergangenheit wurden antisemitische Straftaten oftmals völlig falsch beurteilt. Juristen müssen stärker sensibilisiert werden. Allerdings müssen Justiz und Polizei auch ordentlich ausgestattet werden. Es sollte bundesweit so wie in Bayern gehandhabt werden: Alle antisemitischen Straftaten müssen ausermittelt werden. Die Verfahren dürfen ohne Angabe von Gründen nicht eingestellt werden.

Mit dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung sprach Katrin Richter.

München

Bayerns Ministerpräsident Söder übt scharfe Kritik am Haftbefehl gegen Israels Premier Netanjahu

»Das Gericht hat sich massiv selbst beschädigt«, betont der CSU-Politiker - und gab eine klare Antwort auf die Frage, ob Netanjahu auf deutschem Boden verhaftet werden sollte

 24.11.2024

Gemeinden

Blick auf ein besonderes Jahr

Die Ratsversammlung des Zentralrats der Juden tagte in München. Für große Begeisterung im Saal sorgte die Rede des Bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder

von Katrin Richter  24.11.2024

Vereinte Arabische Emirate

Chabad-Rabbiner in Dubai vermisst

Berichten zufolge könnte der Rabbiner durch den Iran entführt oder ermordet worden sein

 24.11.2024

Kriminalität

»Schwachkopf«-Post zu Habeck: Jetzt melden sich die Ermittler zu Wort

Ein Mann soll Wirtschaftsminister Habeck im Netz beleidigt haben. Dass dann die Polizei zu Besuch kam, sorgte nicht nur im Umfeld des Vizekanzlers für Verwunderung. Die Ermittler liefern Erklärungen

von Frederick Mersi  22.11.2024

Antisemitismus

Polizei sucht nach Tatverdächtigem vom Holocaust-Mahnmal

Der Mann soll einen volksverhetzenden Text in das dortige Gästebuch geschrieben haben

 22.11.2024

Debatte

Theologen werfen Papst einseitige Sicht auf Nahost-Konflikt vor

Ein Schreiben von Papst Franziskus zum Nahost-Krieg enthalte einen »blinden Fleck im Denken«

 22.11.2024

Debatte

CDU-Ministerpräsident verurteilt Haftbefehl gegen Netanjahu

»Völlig ausgeschlossen, dass ein demokratisch gewählter Ministerpräsident aus Israel auf deutschem Boden verhaftet wird, weil er sein Land gegen Terroristen verteidigt«

 22.11.2024

CDU/CSU

Unionspolitiker: Verhaftung von Netanjahu auf deutschem Boden »unvorstellbar«

Die größte Oppositionsfraktion kritisiert die fehlende Haltung der Bundesregierung

 22.11.2024

Den Haag

Der Bankrott des Internationalen Strafgerichtshofs

Dem ICC und Chefankläger Karim Khan sind im politischen und juristischen Kampf gegen Israel jedes Mittel recht - selbst wenn es unrecht ist. Ein Kommentar

von Daniel Neumann  22.11.2024