Iran

Wiener Gespräche

Am Konferenztisch: Seit April 2021 wird im Ballsaal eines Hotels in der österreichischen Hauptstadt verhandelt. Foto: imago images/Xinhua

Am vergangenen Sonntag schlugen in Arbil, der Hauptstadt der Kurdenregion im Norden des Irak, ein Dutzend iranische Raketen ein. Abgefeuert wurden sie offenbar von der Eliteeinheit des iranischen Militärs, der islamischen Revolutionsgarde.

Diese gab den Angriff offen zu und behauptete, man habe »strategische israelische Ziele« und »Ausbildungszentren des Mossad« treffen wollen. Der Beschuss sei eine Vergeltungsaktion gewesen. Am Dienstag berichtete die Tageszeitung »Haaretz«, das israelische Militär habe bei einem Luftschlag Mitte Februar auf eine Luftwaffenbasis im Westen des Iran Hunderte von Kampfdrohnen zerstören können.

unterhändler Unterdessen sind die seit knapp einem Jahr in Wien laufenden Verhandlungen über das iranische Atomprogramm ins Stocken geraten. Eigentlich liegt bereits ein unterschriftsreifer Entwurf vor. Nach zähen Verhandlungen hatten sich die Unterhändler Chinas, Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Russlands, der Europäischen Union und des Iran auf ein neues Abkommen verständigt, mit dem der 2015 abgeschlossene »Joint Comprehensive Plan of Action« (JCPOA) wiederbelebt werden soll.

Eigentlich liegt bereits ein unterschriftsreifer Entwurf vor.

Darin erließ die internationale Gemeinschaft dem Iran für den Verzicht auf die Anreicherung von Uran über das für die friedliche Nutzung der Kernenergie hinaus notwendige Maß von 3,67 Prozent Reinheitsgrad zahlreiche Sanktionen.

2018 kündigte der damalige US-Präsident Donald Trump einseitig das Abkommen auf und verhängte ein Jahr später massive Wirtschaftssanktionen gegen Teheran. Der Iran nahm wiederum Trumps Schritt zum Anlass, die Urananreicherung hochzufahren und seinerseits das JCPOA zu ignorieren. Auch die Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) wurden seitdem vom Iran über die Aktivitäten im Unklaren gelassen.

bedrohung Experten glauben, dass das Regime vom »Breakout-Moment« – jenem Zeitpunkt, an dem das Land ausreichend spaltbares Material besitzt, um eine Atombombe zu bauen – nur noch wenige Monate entfernt ist. Ein solcher Breakout könnte die Machtbalance im Nahen Osten zugunsten des Iran verändern, ein Wettrüsten auslösen und auch eine erhöhte Bedrohung für Israel bedeuten. Trump-Nachfolger Joe Biden, der als Vizepräsident unter Barack Obama am Zustandekommen des JCPOA mitgewirkt hatte, verfolgt dagegen einen anderen Kurs. Er will das Abkommen wiederbeleben.

Bislang hat Robert Malley, Bidens Chefunterhändler in Wien, nur indirekt mit den Iranern verhandelt. Er hat dabei Beobachtern zufolge aber eine hohe Kompromissbereitschaft an den Tag gelegt. Und das, obwohl die Aufhebung amerikanischer Sanktionen gegen problematische iranische Akteure wie die Revolutionsgarden nicht nur politisch ein hohes Risiko beinhaltet. Sowohl die USA als auch Israel waren in jüngster Zeit wiederholt Zielscheibe für Terroranschläge der Iraner.

Laut Experten ist der Iran nur wenige Monate vom »Breakout-Moment« entfernt.

Zwar könnte ein neuerlicher Deal dem Iran den Zugriff auf das hochangereicherte Uran entziehen und den IAEA-Inspektoren wieder Zugang zu den Atomanlagen des Landes verschaffen. Aber der Preis dafür wäre hoch: Zum einen würden erneut zahlreiche Wirtschafts- und Finanzsanktionen gegen das Land aufgehoben, darunter ein weitreichendes Ölembargo. Besonders China zeigt großes Interesse an iranischem Rohöl. Zum anderen erhielte das Regime in Teheran Zugriff auf eingefrorene Gelder in zweistelliger Milliardenhöhe.

Dies würde auch die Position der Hardliner und besonders der dem Obersten Führer Ali Chamenei unterstellten Revolutionsgarden stärken, die im Land selbst immer mehr die Kontrolle übernehmen.

USA Dennoch scheint die Biden-Regierung fest entschlossen zu sein, diesen Preis zu bezahlen, um dem Iran die Atombombe zu verwehren – zum Unmut von Malley-Stellvertreter Richard Nephew, der Medienberichten zufolge bereits vor einigen Wochen frustriert seinen Rücktritt einreichte. »Das Einzige, was noch gefährlicher ist als ein mit ballistischen Raketen und modernen militärischen Mitteln ausgestatteter Iran, ist ein Iran, der all diese Dinge hat und zudem eine nukleare Waffe«, sagte der US-Sicherheitsberater Jake Sullivan am Sonntag.

Doch im Kongress in Washington wächst der Widerstand gegen ein zweites Iran-Abkommen, auch wegen des russischen Einmarschs in der Ukraine. »Der Iran-Deal wäre ein riesiger Erfolg für Wladimir Putin«, wetterte der republikanische Senator Ted Cruz bei einer Pressekonferenz vergangene Woche. Russland trüge enorme wirtschaftliche Vorteile davon und bekäme so eine »massive Subvention« für seine Kriegsmaschinerie.

Im Kongress in Washington wächst der Widerstand gegen ein zweites Iran-Abkommen.

Die Republikaner verfügen im Senat über die Hälfte der Sitze. Da das geplante Abkommen jedoch – wie schon das JCPOA 2015 – kein internationaler Vertrag, sondern ein vom UN-Sicherheitsrat gebilligtes Abkommen sein dürfte, muss der Senat ihm voraussichtlich nicht zustimmen. Dennoch wäre die Aufhebung der Iran-Sanktionen für Biden politisch ein riskantes Unterfangen. Es könnte die Chancen seiner Demokratischen Partei bei den Kongresswahlen im November schmälern.

garantien Zuletzt stellte sich sogar Moskau quer und verlangte von den USA Garantien, dass internationale Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Kriegs die künftigen russischen Handelsbeziehungen mit dem Iran nicht tangieren dürften. Das State Department lehnte dies aber ab.

Der EU-Außenbeauftragte der Europäischen Union, Josep Borrell, verkündete nun eine »Pause« in den Wiener Gesprächen. Schuld seien »externe Faktoren«. Sein Unterhändler Enrique Mora hatte zuvor gesagt, die Verhandlungen auf Expertenebene seien beendet, jetzt müssten »politische Entscheidungen« getroffen werden. »Der Rest ist Lärm«, so Mora auf Twitter.

Ihrer langjährigen Linie treu bleibend, waren die involvierten europäischen Diplomaten in Wien als Vermittler zwischen den anderen verschiedenen Parteien tätig; eigene europäische Interessen mussten da zurückstehen. Ob das JCPOA angesichts des russischen Vorgehens in der Ukraine, der Kehrtwende der EU in der Außen- und Sicherheitspolitik und der Zuspitzung der Lage im Nahen Osten im politischen Lärm untergeht oder doch noch wiederbelebt werden kann, könnte sich in den nächsten Tagen entscheiden.

Die Signatarstaaten, darunter auch Deutschland, stehen vor einer schwierigen Entscheidung: Sollen sie den Bau einer iranischen Atombombe hinnehmen und die bestehenden Sanktionen beibehalten? Oder gestatten sie dem Iran für dessen mittelfristigen Verzicht auf ein militärisches Nuklearprogramm den Zugriff auf große Vermögen, die schlussendlich auch für den Ausbau des ballistischen Raketenprogramms der Revolutionsgarden genutzt werden könnten?

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