Das Argument ist oft zu hören und zu lesen: Ein gewisser Prozentsatz von antidemokratischen Rechten gehöre eben zu einer Demokratie. Wenn die politische Kultur entwickelt sei, halte ein Land Faschisten schon aus. Man müsse gelassen bleiben und auf eigene Argumente vertrauen. Front National in Frankreich und Jobbik in Ungarn gaben jüngst wieder Anlass zu dieser These, in der Debatte um das NPD-Verbotsverfahren ist Ähnliches zu hören, und gerade vor der Europawahl im Mai mangelt es nicht an derartigen Forderungen nach Toleranz.
tolerieren Erste Risse erhält das Argument, wenn es plötzlich in umgekehrter Variante auftaucht: In einem Land, das gerade einen politischen Umsturz erlebt hat, etwa in der Ukraine mit der Regierungspartei Swoboda, müsse man solche rechtsextremen Umtriebe tolerieren, aber mit zunehmender Normalisierung der Verhältnisse verschwänden die Nazis von alleine. Was denn nun? Kommen die Rechtextremisten, weil alles so gut ist, und deswegen halten wir sie locker aus? Oder kommen sie, weil es so schwierig ist, aber alles wird gut, und deswegen ertragen wir sie?
Die ehrliche Antwort muss lauten: weder noch. Rechtsextremismus, Rassismus und antisemitische Tiraden, die sich viel zu oft zu physischen Attacken auswachsen, sind schlicht nicht auszuhalten. Mag sein, dass mitunter zu viele alarmistische Töne in den Debatten mitschwingen. Mag auch sein, dass so manche antifaschistische Manifestation mehr als nur ein ästhetisches Ärgernis darstellt. Und es mag sogar sein, dass manche politische oder juristische Reaktion auf rechtsextremes Treiben übertrieben oder sogar kontraproduktiv war.
gefahr All dies sei zugegeben, doch nichts davon darf dazu verleiten, die historische Erfahrung über Bord zu werfen, die lehrt, dass vom Rechtsextremismus eine mörderische Bedrohung ausgeht, die sich immer gegen Gruppen richtet, die nicht zur Mehrheitsgesellschaft gehören, zu den angeblich Normalen: gegen Juden, gegen Sinti und Roma, gegen Homosexuelle und in vielen Ländern auch gegen Muslime.
Ob die Bedrohung zum Mord führt, hängt vom Widerstand ab, den man ihr entgegensetzt. Gerade wer argumentiert, dass staatliche und politische Maßnahmen gegen Rechtsextremismus nicht immer klug sind, muss sich in der Gesellschaft umso stärker dafür einsetzen, dass Rechtsextremisten kein öffentlicher Raum überlassen wird.
Alles andere nennt sich nur selbstgefällig Toleranz, ist aber Ignoranz.