Vereinte Nationen

»Whitewash«: UNRWA-Prüfbericht vorgelegt

Proteste vor dem UNRWA-Büro in Jerusalem im Februar Foto: IMAGO/Saeed Qaq

Das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen sieht sich seit langem heftiger Kritik ausgesetzt. Seit den Terroranschlägen der Hamas vom 7. Oktober 2023, in die auch mehr als ein Dutzend UNRWA-Mitarbeiter verwickelt gewesen sein sollen, ist die Kritik auch finanziell spürbar: Die wichtigsten westlichen Geberländer der Organisation sind entweder aus der Finanzierung der UNRWA ausgestiegen (so die USA) oder haben ihre Zahlungen vorerst eingestellt (darunter ist auch Deutschland).

Die Bundesregierung war sogar von Nicaragua vor dem Internationalen Gerichtshof wegen angeblicher Verletzung der Völkermord-Konvention von 1948 verklagt worden, weil es die Zahlungen an die UNRWA vorübergehend ausgesetzt hatte.

Mit Spannung wurde deswegen der Prüfbericht einer Untersuchungskommission mehrerer unabhängigen Instituten unter dem Vorsitz der früheren französischen Außenministerin Catherine Colonna erwartet, der am Montagnachmittag (Ortszeit) in New York vorgestellt werden sollte. Eine »Unabhängige Überprüfung der Mechanismen und Verfahren zur Gewährleistung der Einhaltung des humanitären Grundsatzes der Neutralität durch das UNRWA«, so der sperrige Titel des Berichts. Mitgearbeitet hatten auch Raoul Wallenberg Institut in Schweden, dem Chr. Michelsen Institut in Norwegen und das Dänische Institut für Menschenrechte.

Vorab wurde eine Version des Berichts der britischen Zeitung »The Guardian« zugespielt. Von Israel-Gegnern in den sozialen Medien wurden Colonnas Ergebnisse umgehend als Ausweis gewertet, dass die Vorwürfe gegen die UNRWA unzutreffend seien.

So behauptete der sozialistische Abgeordnete im Schweizer Nationalrat, Fabian Molina, alle israelischen Anwürfe hätten sich als bloße »Kriegspropaganda« herausgestellt. Die UNRWA rette Leben und verdiene »die Unterstützung der Welt. Das ist humanitäres Völkerrecht«, so der Parlamentarier auf der Plattform X.

Sollte die Vorwürfe prüfen: Catherine Colonna (hier mit dem Präsidenten der UN-Vollversammlung, Dennis Francis)Foto: Rick Bajornas / United Nations Photo

Der »Guardian« zitierte nur wenige Passagen aus dem Bericht. Demzufolge hat die UNRWA seit 2011 den israelischen Behörden regelmäßig Listen mit den Namen ihrer Mitarbeiter vorgelegt, aber bislang keinen einzigen konkreten Hinweis seitens der Israelis auf problematische Personen bekommen.

Auch die konkreten Anschuldigungen der Netanjahu-Regierung, Hunderte Mitarbeiter der Organisation seien Mitglieder des bewaffneten Flügels der Hamas oder des Palästinensischen Islamischen Dschihad und gar Tausende politische Unterstützer der Terrororganisationen, seien bislang nicht von Israel mit Beweisen untermauert worden, stellt der Prüfbericht laut »Guardian« fest.

Die im Januar erhobenen Vorwürfe hatten bei vielen Geberländern das Fass zum Überlaufen gebracht und sie veranlasst, Zuschüsse für die UNRWA zu streichen oder zumindest zurückzuhalten. Die Europäische Union und mehrere Mitgliedsstaaten haben jedoch zwischenzeitlich angekündigt, zumindest einen Teil der Gelder wieder zu überweisen.

Gleichzeitig bekräftigten sie jedoch Forderungen nach einer besseren Kontrolle. Der Kongress in Washington hingegen beschloss kürzlich, dass die UNRWA zumindest bis kommendes Jahr keinen Cent an US-Steuergeldern bekommen solle.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

In dem Colonna-Bericht heißt es: »Die israelischen Behörden haben bis heute keine Beweise vorgelegt und auch nicht auf die Schreiben der UNRWA vom März und vom April reagiert, in denen sie um die Namen und Beweise (der Betreffenden) bat, um eine Untersuchung einzuleiten.«

Catherine Colonna, die von 2022 bis Anfang diesen Jahres französische Außenministerin war, mahnte dennoch einige Verbesserungen an. So müsse die »Neutralitätspflicht« für die rund 32.000 Beschäftigen des Hilfswerks, das einzig und allein für die Palästinenser zuständig ist und ihren Flüchtlingsstatus auch generationenübergreifend zementiert, verbessert werden.

Besser als andere Institutionen?

Das solle unter anderem durch die Stärkung der UNRWA-internen Aufsicht, durch mehr Schulungen der Mitarbeiter und durch mehr Unterstützung seitens der Geberländer geschehen. Allerdings - auch das stellt der Bericht laut »Guardian« fest - seien die bestehenden Kontrollmechanismen strenger als bei vergleichbaren Institutionen: »Die Überprüfung ergab, dass die UNRWA eine beträchtliche Anzahl von Mechanismen und Verfahren eingerichtet hat, um die Einhaltung der humanitären Grundsätze zu gewährleisten, wobei der Schwerpunkt auf dem Grundsatz der Neutralität liegt, und dass sie über einen weiter entwickelten Ansatz zur Neutralität verfügt als andere vergleichbare UN- oder NGO-Einrichtungen«.

Externer Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt, der den Artikel anreichert. Wir benötigen Ihre Zustimmung, bevor Sie Inhalte von Sozialen Netzwerken ansehen und mit diesen interagieren können.

Mit dem Betätigen der Schaltfläche erklären Sie sich damit einverstanden, dass Ihnen Inhalte aus Sozialen Netzwerken angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittanbieter übermittelt werden. Dazu ist ggf. die Speicherung von Cookies auf Ihrem Gerät nötig. Mehr Informationen finden Sie hier.

UN-Generalsekretär António Guterres ließ am Montag über einen Sprecher erklären, er akzeptiere die Empfehlungen des Colonna-Berichts. »Der Generalsekretär appelliert an alle Beteiligten, die UNRWA aktiv zu unterstützen, da sie für die Palästina-Flüchtlinge in der Region ein Rettungsanker ist«, sagte Stéphane Dujarric in einer Erklärung. Guterres nannte die UNRWA »unersetzlich und unverzichtbar für die menschliche und wirtschaftliche Entwicklung der Palästinenser«; sie sei für die Menschen eine »humanitäre Lebensader«.

Mit UNRWA-Generalkommissar Philippe Lazzarini sei vereinbart worden, so Guterres weiter, dass die UNRWA »mit Unterstützung des Generalsekretärs einen Aktionsplan zur Umsetzung der im Abschlussbericht enthaltenen Empfehlungen aufstellen wird.«

Nichtregierungsorganisationen zeigten sich hingegen weitaus kritischer und bezeichneten den Colonna-Prüfbericht als »Whitewash«, einer Reinwaschung der UNRWA. Hillel Neuer, Geschäftsführer der in Genf ansässigen Nichtregierungsorganisation UN Watch, hatte bereits im Vorfeld der Veröffentlichung keine großen Erwartungen gehegt. Sowohl die Mitglieder von Colonnas Kommission als auch ihr Mandat zeugten von einer »extremen Voreingenommenheit« zugunsten der UNRWA, so UN Watch in einer vergangene Woche veröffentlichten Stellungnahme.

So habe UNRWA-Chef Lazzarini bereits am 17. Januar - also noch vor der Beauftragung Colonnas - die Vorwürfe der Verbindung von UNRWA-Mitarbeitern zu Terrororganisationen öffentlich als »Verleumdungskampagne« abgetan.

UNRWA-Chef Philippe Lazzarini bei einer Sitzung des UN-SicherheitsratesFoto: Eskinder Debebe / United Nations Photo

Neuer erklärte, in den letzten zehn Jahren habe UN Watch die UNRWA wiederholt auf Fälle von Unterstützung für Hamas und andere Gruppen aufmerksam gemacht. »Die Antwort der UNRWA bestand stets darin, die Anschuldigungen nicht ernst zu nehmen und stattdessen uns anzugreifen.« Das UN-Hilfswerk habe es »systematisch versäumt, die Förderung des Terrorismus durch ihre Mitarbeiter, von denen viele der Hamas angehören, zu unterbinden.«

Seine Organisation habe alle ihr vorliegenden Beweise an Colonnas Untersuchungskommission geschickt, so Neuer. Es sei aber schon vorab klar geworden, dass diese nie vorgehabt habe, diese belastenden Indizien zu berücksichtigen. Vielmehr habe ihr Auftrag von Anfang an darin bestanden, die »weit verbreiteten Verbindungen der UNRWA zum Terrorismus zu beschönigen«, um so den Geberstaaten auch weiterhin eine Rechtfertigung für die Wiederaufnahme der Finanzierung gegeben werden könne.

Der CEO des International Legal Forum, Arsen Ostrovsky, sagte in einer auf der Plattform X veröffentlichten Erklärung, das Palästinenserhilfswerk sei mittlerweile ein »Arm der Hamas« und ein »Brutkasten für Hass, Hetze und Terror«.

USA

Wer Jude ist, bestimmt nun er

Donald Trump wird immer mehr wie der berühmt-berüchtigte Wiener Bürgermeister Karl Lueger

von Michael Thaidigsmann  13.03.2025

Israel

Bernard-Henri Lévy sagt aus Protest Teilnahme an Konferenz in Israel ab

Der Schritt des französischen Philosophen erfolgte aus Protest gegen die Einladung der zwei rechten französischen Politiker Jordan Bardella und Marion Maréchal

von Michael Thaidigsmann  13.03.2025

Bremen

»Die israelische Demokratie ist eine sehr viel vitalere als die deutsche«

Im Interview mit dem »Weser Kurier« spricht Michel Friedman über die Aufarbeitung der deutschen Geschichte, die AfD sowie die israelische Gesellschaft

 13.03.2025

Berlin

Joschka Fischer nennt mögliche Verhaftung Netanjahus »absurd«

Der frühere Außenminister stimmt CDU-Chef Friedrich Merz zu: Der israelische Ministerpräsident müsse Deutschland unbehelligt besuchen können

von Imanuel Marcus  13.03.2025

USA

Das Ende des Westens?

Donald Trump ist offenbar bereit, die Ukraine fallen zu lassen. Europa bleibt nun keine andere Wahl, als sich neu zu erfinden. Das birgt auch große Chancen

von Rabbiner Pinchas Goldschmidt  13.03.2025

Nahost

Arabische Länder legen den USA Gaza-Plan vor

Die Äußerungen von US-Präsident Trump für mögliche Pläne zum Gazastreifen sorgten für Aufregung. Arabische Länder machen jetzt einen Gegenvorschlag

 13.03.2025

Washington D.C.

Trump: Niemand will Palästinenser aus Gaza vertreiben

Der US-Präsident hat gesagt, die USA könnten den Gazastreifen besitzen und wiederaufbauen. Nun versicherte er, dass ihn aber niemand zwangsweise verlassen müsse

 13.03.2025

Sachsen-Anhalt

Polizei verhindert möglichen Anschlag auf Synagoge Halle

Der Tatverdächtige soll bereits eine Waffe besorgt und im Internet mit seinem Plan geprahlt haben

 12.03.2025

Hessen

Bildungsstätte Anne Frank wehrt sich gegen AfD-Kritik

AfD fordert nun die Aberkennung der Gemeinnützigkeit

 12.03.2025