Kaum hatte ihn das Jerusalemer Gericht freigesprochen, fingen die Spekulationen an: Will Ehud Olmert zurück in die Politik? Gründet er eine neue Partei? Alleine? Oder mit seiner früheren Außenministerin Zipi Livni? Oder etwa mit seinem Parteikollegen Chaim Ramon? Oder vielleicht mit seinem alten Freund Jair Lapid, dem populären ehemaligen Fernsehnachrichtenmann?
Auch wenn er selbst es eher verneinte, so ließen Vertraute doch durchblicken, dass Olmert sich nichts sehnlicher wünscht, als wieder in die Residenz des Premierministers einzuziehen. Und das trauen ihm viele zu. In Israel ist es nicht unmöglich, dass ein gescheiterter Politiker mit angekratzter Reputation wieder Wahlen gewinnen kann. Die Kadima-Partei hat sogar erklärt, dass Olmert jederzeit in ihren Reihen willkommen ist. Aber: Wenn Olmert zurückkehrt, dann nur als Chef. Und wer will schon einen Spitzenkandidaten, der gerade auf seinen nächsten Gerichtstermin wartet?
Knesset Man darf nämlich bei aller Olmert-Euphorie nicht außer Acht lassen: Er ist der erste israelische Regierungschef, der wegen einer Straftat verurteilt wurde. Und falls der endgültige Urteilsspruch, der im September gefällt wird, ihm »moralische Verwerflichkeit« attestieren würde, wäre Olmert für sieben Jahre aus der Knesset verbannt.
Bislang konnte der Ex-Premier drei Korruptionsvorwürfe mehr oder weniger erfolgreich zurückweisen. Aber es gibt immer noch den Holyland-Fall, in dem das Urteil noch aussteht: Da wird er verdächtigt, während seiner Zeit als Jerusalemer Bürgermeister krumme Dinger gedreht zu haben. Hinzu kommt, dass Israel derzeit von einer Protestwelle überrollt wird, die soziale Gerechtigkeit und eine fairere Politik fordert. In diesem politischen Klima wirkt einer wie Olmert, der seine Freundschaften zu millionen- und milliardenschweren Unternehmern immer herausgestellt hat, eher wie eine Provokation – und nicht wie ein attraktives wählbares Angebot.
Natürlich gibt es Umfragen, die besagen, dass Olmert, falls er sich mit Livni oder Lapid zusammentäte, wieder in die erste Liga der israelischen Politik aufsteigen könnte. Aber nicht nur seine eigenen Andeutungen zeigen, dass er, zumindest derzeit, keine Comeback-Pläne hegt. Die Verhältnisse in der israelischen Politik sind so, dass Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ruhig schlafen kann. Wenn er gestürzt wird, dann nicht von Olmert.
Der Autor ist Korrespondent der Online-Zeitung »The Times of Israel«.