Etwa 30.000 »Stolpersteine« hat der Künstler Gunter Demnig in den vergangenen zwanzig Jahren verlegt. Zu erfolgreich sei das Gedenken an verschleppte NS-Opfer, erklärte vor einigen Tagen das zuständige Finanzamt und forderte von Demnig Geld. Er mache ja keine Kunst, sondern Massenware. Also müsse der volle Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent gezahlt werden. Dagegen gab es Proteste, schließlich erklärte der nordrhein-westfälische Finanzminister Norbert Walter-Borjans, er wolle sich dafür einsetzen, dass für Demnig das Künstlerprivileg der Sieben-Prozent-Mehrwertsteuer erhalten bleibt. Na, geht doch.
Beamte Denn selbstverständlich ist das, was Demnig macht, Kunst. Und genauso selbstverständlich ist es, dass weder Finanzbehörden noch -minister über Kunstfragen entscheiden sollten. Was sich aber in dem Versuch der Beamten wieder einmal offenbart, ist das Selbstverständnis einer Behörde, die glaubt, sie sei unpolitisch: Wir organisieren doch nur, wir beurteilen nicht. Mit dieser Haltung wurde vor Jahrzehnten auch die »Arisierung« von Betrieben legitimiert, die Juden gehörten. Es ist gut, dass in NRW nun eine demokratisch legitimierte Regierung der Finanzaufsicht den Primat der Politik erklärt: Dass Steuern erhoben werden, hat mit der Ausstattung des Gemeinwesens zu tun.
Folglich ist es auch eine politische Entscheidung, wer mehr und wer weniger zahlt, wer Vorteile erhält und wer auf sie verzichten muss. Ganz allgemein gesprochen: Es ist richtig, Künstlern steuerliche Privilegien zu gewähren. Konkret auf Gunter Demnig bezogen, trifft das erst recht zu: Seiner großen Idee der Stolpersteine verdankt die deutsche Gesellschaft, dass sie beim Gehen und Stehen auf Bürgersteigen an die Alltäglichkeit des NS-Terrors erinnert wird. Und das schon 30.000-mal.