Ein 86-jähriger Rebbe aus der chassidischen Dynastie der Tschernobyler erzählt etwas über Hummer. Klingt nicht gerade nach dem Traum schlafloser Nächte von »Content-Vermarktern«, die versuchen, mit »Influencern« möglichst viele Leute zu erreichen und damit eine maximal große Reichweite zu generieren.
Aber Rabbiner Abraham Twerski, der nicht nur Rebbe, sondern auch Psychiater mit einer Spezialisierung für Suchterkrankungen ist, erfüllt diesen Traum für diejenigen, die Videos mit ihm ins Netz gestellt haben. Besonders das Hummer-Video wurde auf Facebook Millionen Male gesehen, Tausende Male geliket und Hunderte Male geteilt. Die Reichweite steigt, und das freut diejenigen, die den Content zur Verfügung stellen.
valium In Kurzform erzählt Rabbiner Twerski davon, dass Hummer nicht wachsen können, wenn sie sich in ihrem enger werdenden Panzer arrangieren, sondern ihn von Zeit zu Zeit loswerden und sich einen neuen wachsen ließen. »Würden Hummer zu einem Arzt gehen können, würde der ihnen Valium oder Percocet verschreiben, und sie würden niemals wachsen.« Percocet ist eine Mischung aus Paracetamol und einem Opioid.
So weit, so anschaulich. Seine Botschaft: »Stressige Zeiten sind Signale für Wachstum, und wenn wir mit Widrigkeiten richtig umgehen, können wir durch Widrigkeiten wachsen.«
botschaft Was lehrt das? Ein wenig über Stress, auch ein wenig über Judentum, aber in erster Linie etwas darüber, welche Inhalte gut ankommen. Die User wollen wiedererkennbare Köpfe mit einer klaren Botschaft sehen. Die Person soll für etwas stehen – authentisch sein.
Ein chassidischer Rabbiner, weißer Bart, keine Schnitte, eine Einstellung ohne irgendeinen Effekt erfüllt genau das. Das erreicht mehr als 84 Millionen Menschen. Auch mit anderen Infohappen, etwa zu Liebe, Depression oder zu jüdischer Weisheit, erreicht er ein Millionenpublikum. Fraglich bleibt, ob sich die Nutzer intensiver mit Rabbiner Twerskis Gesamtwerk beschäftigen und mehr kennenlernen als die Infoschnipsel.
Der Autor ist Netzpublizist und lebt in Gelsenkirchen.