Weniger als zwei Prozent der Amerikaner sind jüdisch. »Trotzdem gibt es ein hohes Interesse daran, jüdische Wähler zu erreichen«, sagt Deidre Berger, Direktorin des American Jewish Committee (AJC), in Berlin. »Denn sie wählen ja fast alle: meist mehr als 90 Prozent, was wirklich extrem hoch ist.«
Bei der Präsidentschaftswahl 2012 haben geschätzt 85 Prozent der amerikanischen Juden ihre Stimme abgegeben. »Wir sind aber nicht nur fleißig beim Wählen, sondern auch im ganzen politischen Prozess. Es gibt ein erhöhtes Engagement unter Juden. Und auch viele Spender«, sagt Berger.
Kandidaten In diesem Jahr stand vor allem die Persönlichkeit der Kandidaten im Mittelpunkt. »Mir macht alles Sorge an Trump. Er ist in alle Richtungen diskriminierend und rassistisch«, sagt Myriam Halberstam. Sie ist in den USA geboren, in Deutschland aufgewachsen und Gründerin des Ariella Verlags für jüdische Kinderbücher.
Per Briefwahl hatte sie notgedrungen schon für Hillary Clinton gestimmt. Eigentlich unterstützte Halberstam den sozialdemokratischen Bernie Sanders in den Vorwahlen. »In meiner Familie sind immer soziale Werte – jüdische soziale Werte – hochgehalten worden«, sagt Halberstam über ihre sozialdemokratische Prägung.
Laut Deidre Berger ist diese Sichtweise bei amerikanischen Juden verbreitet: »Die Tradition von Gemeinschaft ist im amerikanischen Judentum sehr stark, und diese sehen viele bei den Demokraten besser vertreten. Sie sehen jüdische Werte besser reflektiert in einer Partei, die mehr Betonung auf ein soziales Netz legt.«
Auch Dirigent Michael Hurshell wählte Clinton. »Es gibt gute Gründe, dass Donald Trump nicht Präsident werden sollte – neben seinen zahlreichen dubiosen Geschäften und den Gerichtsprozessen, in die er von der Ost- bis zur Westküste verwickelt ist«, begründet Hurshell seine Entscheidung. Er ist Künstlerischer Leiter an der Jüdischen Kammerphilharmonie in Dresden, wo er seit 2002 wohnt. Wie Myriam Halberstam bereiten auch Hurshell die rassistischen Äußerungen des Republikaners Sorge: »Ausländerfeindlichkeit und Rassismus werden durch Trumps Kampagne wieder hoffähig gemacht, ebenso wie Antisemitismus. Das sind Ansichten, bei denen einem die Kinnlande herunterfällt.«
sicherheit Während sich die meisten jüdischen Amerikaner den Demokraten zugehörig fühlen, bilden orthodoxe Juden eine Ausnahme. Sie bezeichnen sich in der Mehrheit als konservativ, für 68 Prozent von ihnen ist nicht die Wirtschaft das wichtigste Thema, sondern Terrorismus und nationale Sicherheit.
Der jüdisch-orthodoxe Student David Farhi ist mit seiner Vorliebe für Trump exemplarisch. »Für mich läuft es auf die Frage hinaus: Wer wird seines Amts enthoben, wenn er einen Fehler macht? Trump wird enthoben, Clinton nicht. Sie hat zu viele mächtige Freunde in der Regierung.« Außerdem, sagt der 20-Jährige, verfolge Trump durch seinen Isolationismus eine klügere Außenpolitik, angesichts der vielen Menschenleben und Steuergelder, die das bisherige außenpolitische Engagement der USA schon gekostet habe. Trotzdem seien beide Kandidaten eher schädlich für das Land. Deswegen hat David nicht gewählt.
Emmanuel Rund, Filmemacher aus München, wird es auch nicht. »Kein Kandidat ist meine ›cup of tea‹«, sagt er.