Erinnert sich noch jemand an das »Jahr-2000-Virus«? Es ist jetzt genau zehn Jahre her, da orakelten die Computerexperten, die Welt stünde kurz vor dem Untergang. Unsere komplizierten Denkmaschinen seien zu dumm, den Übergang von 1999 zu 2000 zu bewältigen. Die Folge: streikende Bankautomaten, gelöschte Konten, auf Nimmerwiedersehen verschwundene Behördendateien und Flugzeuge, die vom Himmel plumpsen. Weltenende, wie Jakob von Hoddis es in seinem berühmten expressionistischen Gedicht geweissagt hat: »Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut, / In allen Lüften tönt es wie Geschrei. / Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei ...«
Der Einzige, der die Bedrohung durch das Jahr-2000-Virus frech leugnete, war seinerzeit Bill Gates. Aber der hatte ja Microsoft erfunden, igitt! Außerdem war er stinkreich und folglich als moralische Autorität nicht ernst zu nehmen. Jerry Falwell dagegen, ein fundamentalistischer Fernsehprediger aus Amerika, empfahl mit biblischem Tremolo in der Stimme, Nahrungsmittel und Gewehre zu horten. Das Jahr-2000-Virus, so sagte er, sei vom Christengott gesandt, um die Welt ob ihrer vielen Sünden zu züchtigen.
In der Nacht vom 31. Dezember auf den 1. Januar passierte dann vor zehn Jahren –gar nichts. Na gut, dass gar nichts passiert wäre, ist vielleicht ein wenig untertrieben. In Australien stempelte ein Entwerter das falsche Datum auf ein Busticket.
Doch obwohl das Jahr-2000-Virus sich als apokalyptisches Hirngespinst erwies, obwohl am Ende der verachtete Bill Gates recht hatte, während Jerry Falwell auf Hunderten Konservenbüchsen sitzen blieb, war diese Geschichte lehr- und folgenreich. Denn wenn wir uns fragen, auf welchen gemeinsamen Nenner wir die jüngst verflossene Dekade, die Nullerjahre des 21. Jahrhunderts, bringen sollen, dann lautet die Antwort: Hinter uns liegt ein Jahrzehnt der Weltuntergänge.
Jeder konnte sich nach Gusto aussuchen, dank welchem Malheur der Planet koppheister gehen würde: sei es durch Überalterung oder allgemeine Verrohung der Sitten, sei es durch Islamisierung oder das Internet. Aktuell ist wieder mal die Klimakatastrophe dran: Hilfe, unsere Erde schmilzt! Der Filmregisseur der Nullerjahre war, so betrachtet, nicht einer jener sensiblen Künstler, die in den Feuilletons hochgejubelt werden, sondern Roland Emmerich. In seinen Breitwandepen fiel die Menschheit erst ekligen Aliens zum Opfer (Independence Day), dann wurde sie schockgefrostet (The Day After Tomorrow), schließlich holte den Planeten eine düstere Prophezeiung der Maya ein (2012).
Um die ganze Wahrheit zu sagen: Der Weltuntergang fand nicht nur im Kino statt. Das Menetekel vom 11. September 2001, das wieder und wieder über unsere Bildschirme flimmerte, war real. An diesem Tag verwandelten Terroristen mithilfe von Teppichmessern voll besetzte Passagiermaschinen in Massenvernichtungs- waffen. Seitdem kann kein Mensch mehr die Augen davor verschließen, dass die liberalen Zivilisationen des Westens auch nach dem Ende des Kommunismus immer noch Feinde haben, Feinde, die zur höheren Ehre Allahs töten. Und wenn Mohammed Atta und Genossen über Atombomben verfügt hätten, würde New York jetzt nicht mehr existieren.
Weniger sichtbar, aber genauso real ist die Gefahr, dass die Herrscher in Teheran ihre Hände nach der absoluten Waffe ausstrecken. Der Historiker Benny Morris hat in einem beängstigenden Zeitungsartikel beschrieben, dass der Staat Israel morgen oder übermorgen in einem nuklearen Holocaust untergehen wird – schutzlos, ohne Gegenwehr, im Stich gelassen von seinen engsten Verbündeten.
Trotz alledem sei an dieser Stelle eine lichte Prognose gewagt: Die Zehnerjahre des 21. Jahrhunderts werden die Dekade sein, in der wir die Weltuntergänge – wie ein Teenager am Ende der Adoleszenz seine Pubertätspickel – endgültig hinter uns lassen. Die Angst vor der Klimakatastrophe wird sich als ebenso wohlbegründet erweisen wie seinerzeit die Angst vor dem Jahr-2000-Virus. Das Internet wird uns nicht verblöden, sondern klüger machen. Die Kinder der islamischen Fundamentalisten werden gegen ihre Eltern revoltieren und Gedankenfreiheit fordern. Die Überalterung der Menschheit wird sich noch als Segen erweisen. Die Maya werden sich erschöpft im Grab umdrehen.
Und der Iran? Er wird die Atombombe bauen, zweifellos. Aber jene, die sie erben, werden nicht die Ajatollahs sein. Die demokratische Revolution im Iran wird siegen, wenn nicht heute, dann in einem Jahr. Die Islamische Republik Iran wird fallen, eine echte Republik wird an ihre Stelle treten. Und der neue, freie Iran wird dem jüdischen Staat, wird Israel seine Hände in Freundschaft reichen.