Alle Religionen erklären, dass Frieden und eine gute menschliche Entwicklung ihr Ziel sind. Doch allzu oft kommt es uns so vor, als verschärften sie Konflikte, anstatt sie zu lösen.
Menschen, die den guten Ruf der Religion verteidigen wollen, antworten meist, dass, wenn von einem »Konflikt im Namen der Religion« die Rede ist, es ja in Wirklichkeit um ethnische, nationalistische oder territoriale Konflikte geht und die Religion schlicht missbraucht wird. Aber auch wenn das so ist, so drängt sich die Frage auf, warum Religion so leicht für gewalttätige Zwecke ausgenutzt werden kann.
andere Unsere Identität bestimmt, wer wir sind und wer wir nicht sind. Wenn wir uns, real oder angenommen, bedroht oder verletzt fühlen, kann dies dazu führen, das »Andere« schlecht zu machen. Dies führt zu einem Denken, sich selbst als Teil einer Gemeinschaft der Auserwählten zu verstehen – und gegen Andersdenkende gewalttätig zu werden.
Bedauerlicherweise benennen die Medien häufiger Missbräuche, als religiöse Führungen sie verhindern. Schlechte Nachrichten sind eben attraktiver als gute.
Dabei gibt es positive Entwicklungen – beispielsweise die Marrakesch-Erklärung aus dem vergangenen Jahr. Darin wird von der gesamten muslimischen Welt Unterstützung für die historische Charta von Medina eingefordert: damit Staatsbürgerschaft und Bürgerrechte auch für Minderheiten und andere Religionsgemeinschaften gelten. Dieses historische Treffen in Marokko hat leider zu wenig internationale Aufmerksamkeit erhalten.
lösung Weil Religion leider so oft missbraucht wird, ist die Meinung verbreitet, man solle die Religionen meiden, wenn es um die Überwindung von Konflikten geht. Doch in Wirklichkeit verschärft ein solcher Ansatz das Problem.
Wenn wir nicht wollen, dass die Religion Teil des Problems ist, müssen wir sie zum Teil der Lösung machen. Ich bete darum, dass die internationale Zusammenarbeit von politischen und religiösen Führungen intensiviert wird. Zum Wohle einer friedlichen Gesellschaft.
Der Autor ist Rabbiner in Jerusalem.