Einspruch!

Weizsäckers klare Worte

Moshe Zimmermann Foto: AP

Einspruch!

Weizsäckers klare Worte

Obwohl sein Vater in Nazi-Verbrechen verstrickt war, galt Richard von Weizsäcker in Israel nicht als persona non grata

von Moshe Zimmermann  04.02.2015 07:46 Uhr

Im 2. Buch Mose (20,5) steht der bekannte Satz: »Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der das Verbrechen der Väter ahndet an Kindern, Enkeln und Urenkeln.« Bei Richard von Weizsäcker hielt sich das Volk des Buches nicht an diesen Spruch:

Obwohl der Vater, Ernst von Weizsäcker, Staatssekretär im Auswärtigen Amt des Dritten Reichs, an den Verbrechen gegen die Juden beteiligt war und deshalb auch im sogenannten Wilhelmstraßenprozess 1949 verurteilt wurde, war sein Sohn Richard keine persona non grata in Israel. Er war vielmehr der erste amtierende Bundespräsident, der Israel einen Besuch abstattete und damit bei den israelischen Politikern wie auch bei der Bevölkerung auf Anerkennung und Sympathie stieß.

Beispiellos Dieser erste Besuch fand im Oktober 1985 statt, einige Monate nach der berühmten Rede zum 8. Mai. In der Regel zitiert man daraus nur den Satz über den »Tag der Befreiung«. Was jedoch Juden und Israelis imponierte, war dies: »Wir gedenken insbesondere der sechs Millionen Juden, die in deutschen Konzentrationslagern ermordet wurden. Der Völkermord an den Juden ist beispiellos in der Geschichte.«

Oder: »Wer seine Ohren und Augen aufmachte, wer sich informieren wollte, dem konnte nicht entgehen, dass Deportationszüge rollten. Jeder, der die Zeit mit vollem Bewusstsein erlebt hat, frage sich heute im Stillen selbst nach seiner Verstrickung.« Und: »Das jüdische Volk erinnert sich und wird sich immer erinnern.« Für die Bundespräsidenten Lübke, Scheel und Carstens, alle mit dem NS-System verwoben, kam ein Israelbesuch während ihrer Amtszeit nicht in Frage. Bei Weizsäcker überwog in den Augen der Israelis die Rede zum 8 Mai.

Erinnerung Nicht bei allen Israelis jedoch. Der Senat der Hebräischen Universität Jerusalem stimmte kurz vor dem Israelbesuch Weizsäckers gegen die Verleihung des Ehrendoktortitels. Das hat aber nicht mit dem Zitat aus dem 2. Buch Mose zu tun, sondern mit dem, was Weizsäcker in seiner Rede erwähnte: »Das jüdische Volk erinnert sich.«

Der Autor ist Historiker.

Meinung

Ein Bumerang für Karim Khan

Die Frage der Zuständigkeit des Internationalen Strafgerichtshof für Israel muss erneut geprüft werden. Schon jetzt ist klar: Der Ruf des Gerichts und seines Chefanklägers wird leiden

von Wolf J. Reuter  25.04.2025

Meinung

Die UN, der Holocaust und die Palästinenser

Bei den Vereinten Nationen wird die Erinnerung an den Holocaust mit der »Palästina-Frage« verbunden. Das ist obszön, findet unser Autor

von Jacques Abramowicz  25.04.2025

80 Jahre nach Kriegsende

»Manche Schüler sind kaum noch für uns erreichbar«

Zeitzeugen sterben, der Antisemitismus nimmt zu: Der Geschichtsunterricht steht vor einer Zerreißprobe. Der Vorsitzende des Verbands der Geschichtslehrerinnen und -lehrer erklärt, warum Aufgeben jedoch keine Option ist

von Hannah Schmitz  25.04.2025

Washington D.C.

Trump beschimpft Harvard als »antisemitische, linksextreme Institution«

Der US-Präsident geht vehement gegen Universitäten vor, die er als linksliberal und woke betrachtet. Harvard kritisiert er dabei besonders heftig

 25.04.2025

Berlin/Jerusalem

Herzog kommt in die Bundesrepublik, Steinmeier besucht Israel

Der Doppelbesuch markiert das 60-jährige Jubiläum der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den beiden Ländern

 25.04.2025

«Nie wieder»

Dachauer Gedenkstättenleiterin warnt vor ritualisierten Formeln

Die KZ-Gedenkstätte Dachau erinnert am 4. Mai mit einer großen Feier mit 1.800 Gästen an die Befreiung des ältesten Konzentrationslagers durch amerikanische Truppen am 29. April 1945

von Susanne Schröder  25.04.2025

Geschichte

Bundesarchiv-Chef warnt vor dem Zerfall historischer Akten

Hollmann forderte die künftige Bundesregierung auf, einen Erweiterungsbau zu finanzieren

 25.04.2025

Israel

Regierung kondoliert nach Tod des Papstes nun doch

Jerusalem löschte Berichten zufolge eine Beileidsbekundung nach dem Tod des Papstes. Nun gibt es eine neue

 25.04.2025

Berlin/Grünheide

Senatorin verteidigt ihre »Nazi«-Äußerung zu Tesla

Berlins Arbeitssenatorin spricht im Zusammenhang mit der Marke von »Nazi-Autos«. Daraufhin gibt es deutliche Kritik. Die SPD-Politikerin reagiert

 25.04.2025