Tut die AfD nicht alles, um den Juden zu gefallen? Schließlich glaubt die Partei, sich gegen die »wahren« Feinde des jüdischen Lebens in Deutschland zu richten. Dieses werde nicht von rechts bedroht, sondern ausschließlich von Muslimen und Linken. Der Attentäter von Halle? Kein Rechter, bloß ein Verwirrter. Kämen dagegen die Blauen an die Macht, entstünde ein »Safe Space für jüdisches Leben«, wie die Parteigröße Beatrix von Storch gelobt.
Die AfD gehe entschlossen gegen Antisemiten in den eigenen Reihen vor, ist man sich dort sicher und verweist auf den Fall Wolfgang Gedeon: Dessen Verschwörungstheorien – O-Ton: »Versklavung der Menschheit im messianischen Reich der Juden« – seien natürlich nicht mit den Grundsätzen der AfD vereinbar. Es hat zwar ein paar Jahre gedauert, aber schließlich wurde Gedeon aus der Partei ausgeschlossen.
Zudem habe sich die AfD stets um ein gutes Verhältnis zu Israel bemüht, den jüdischen Staat als Bollwerk gegen den Islam gar bewundert. Schade nur, dass man dort bisher auf wenig Gegenliebe gestoßen ist. Als »hochgradig beleidigend für Juden und für Israel« bezeichnete der ehemalige israelische Botschafter in Berlin, Jeremy Issacharoff, die Aussagen von AfD-Politikern.
»Rassistische und antisemitische Partei«
Denselben Ton schlagen die Vertreter der jüdischen Gemeinschaft in Deutschland an. In einer gemeinsamen Erklärung benannten zahlreiche Organisationen, darunter der Zentralrat der Juden, die AfD als eine »rassistische und antisemitische Partei« sowie »eine Gefahr für jüdisches Leben«.
Was haben sie bloß, die Juden? Es muss ein Missverständnis sein.
Doch der Irrtum liegt woanders: Es täuschen sich nicht die Repräsentanten der jüdischen Gemeinschaft, sondern die AfD und alle – darunter leider auch Juden –, die die Partei in dem Glauben wählen, sie sei gut für das jüdische Leben in diesem Land.
AfD-Politiker bespielen die Klaviatur des antisemitisch konnotierten Geraunes mit Bravour.
Sie kann es schon deshalb nicht sein, weil sie den Antisemitismus von rechts verharmlost oder gar leugnet. So mangelhaft Statistiken zu den Motiven antisemitischer Taten oft sind, eines ist klar: Der Rechtsextremismus ist eine der größten Gefahren für Jüdinnen und Juden. Doch die Antisemiten sind für die AfD immer die anderen. Wer hier auf einem Auge blind ist, kann nicht glaubhaft für die Sicherheit der jüdischen Gemeinschaft eintreten. Wer erwiesenermaßen selbst Neonazis als Mitarbeiter beschäftigt, erst recht nicht.
Auch wenn das allzu offene Ressentiment gegen Juden in der AfD nicht gern gesehen ist, ihre Politiker bespielen die Klaviatur des antisemitisch konnotierten Geraunes mit Bravour. Im Bundestag ist seit dem Einzug der Blauen regelmäßig vom »Great Reset« oder dem »Großen Austausch« die Rede, alles orchestriert von »Globalisten«. Eine Weltverschwörung ausgehend von einer ominösen Elite? Es kommt einem allzu vertraut vor.
Spätestens seit dem 7. Oktober 2023 zeigt sich außerdem, wie instrumentell das Verhältnis der AfD zu Israel immer gewesen ist. Kaum eine andere Partei hat sich so zögerlich und verhalten zu den Massakern der Hamas geäußert wie die AfD. Und ihr Co-Vorsitzender Tino Chrupalla sprach sich unlängst gegen Waffenlieferungen an den jüdischen Staat aus. Kein Wunder, kann doch weder die Partei noch ihre Wählerschaft viel anfangen mit der besonderen Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel und den Juden.
Das Wort »Holocaust« taucht im AfD-Programm nicht auf
Die AfD will einen Schlussstrich unter die Aufarbeitung des Nationalsozialismus ziehen. Aussagen wie die des Europaabgeordneten Maximilian Krah – »Unsere Vorfahren waren keine Verbrecher« –, des Thüringer Landeschefs Björn Höcke – »dämliche Bewältigungspolitik« – oder des Ehrenvorsitzenden Alexander Gauland – »Vogelschiss in der Geschichte« – stehen exemplarisch für ein historisches Bewusstsein, das unvereinbar ist mit jüdischem Leben in Deutschland. Voraussetzung für dessen Verbleib im Land der Täter ist, dass die Schoa im Selbstverständnis Deutschlands dauerhaft eine zentrale Rolle einnimmt. Auch das bedeutet »Nie wieder« – eine Formel, die aus dem Mund von AfD-Politikern wie Hohn klingt.
Würde sich die Partei zudem mit ihren Vorstellungen von Tierschutz durchsetzen, wäre ein Alltag nach jüdischen Religionsgesetzen nicht mehr möglich. In ihrem Programm von 2021 lehnte die AfD nicht nur das Schächten selbst ab, sondern auch die Einfuhr von geschächtetem Fleisch. Für streng religiöse Juden hieße das: Vegetarier werden oder auswandern. Im aktuellen Programmentwurf für die Bundestagswahl im Februar schwächt die AfD ihre Position zwar ab, sie bleibt dennoch unvereinbar mit dem jüdischen Gesetz.
Das »Nie wieder« klingt aus dem Mund von AfD-Politikern wie Hohn.
Der Text, über den die AfD dieses Wochenende auf ihrem Parteitag in Riesa abstimmen will, zeichnet sich insbesondere durch seine Lücken aus: Kein Wort zur Sicherheit Israels, zur Förderung jüdischen Lebens oder zum Gedenken an den deutschen Völkermord an sechs Millionen Juden. Die Wörter »Holocaust« oder »Nationalsozialismus« tauchen im AfD-Programm nicht auf. Man dürfe sich »nicht nur auf die Tiefpunkte unserer Geschichte konzentrieren«, heißt es stattdessen. Auch mit ihrem neuesten Wahlprogramm macht die AfD mehr als deutlich: Auf sie ist kein Verlass, wenn es um das Fortbestehen des Judentums in Deutschland geht.
Für Jüdinnen und Juden hätte die AfD eine Wahl parat
Das zeigt sich auch anhand ihres Verhältnisses zu den jüdischen Gemeinden und deren Vertretern. Jörg Urban, sächsischer AfD-Spitzenkandidat, sieht in der Kritik jüdischer Verbände an seiner Partei lediglich »Gefälligkeitsaussagen«, schließlich würden diese »alle mit öffentlichen Geldern gefördert«, und Maximilian Krah beklagt sich über Josef Schusters renitente Ablehnung der AfD: Der Zentralratspräsident genieße »die Privilegien, die ihm die Bundesrepublik Deutschland gewährt« habe, ihn nehme aber »niemand mehr ernst«. Was in diesen Aussagen mitschwingt: Die jüdischen Organisationen werden schon kuschen, wenn sich die politischen Verhältnisse in Deutschland drehen – schließlich tanzen sie stets nach der Pfeife desjenigen, der sie bezahlt.
Wie für alle Autoritären ist auch für die AfD treudoofe Loyalität das höchste Gut. Wenn man nicht mitmacht, dann … Für jüdische Menschen hätte die AfD eine Wahl parat: entweder hinnehmen, dass rechter Antisemitismus künftig toleriert, das besondere Verhältnis zu Israel aufgegeben und das Schoa-Gedenken bagatellisiert wird – oder emigrieren, ins innere oder äußere Exil. Der oberflächliche Philosemitismus der AfD kann nicht über die wahre Botschaft hinwegtäuschen, die die Partei an die Jüdinnen und Juden im Land richtet: Wehe euch, wenn wir an die Macht kommen!