Wie tröstet man ein weinendes Kind? Man geht auf es zu, streichelt es behutsam, spricht beruhigende Worte. Wie tröstet man ein weinendes Kind, wenn man Bundeskanzlerin ist? Genauso. Aber genau dafür bekommt Angela Merkel jede Menge Dresche, weil sie die tränenüberwältigte 14-jährige Reem Sahwil vor laufender Kamera zu beruhigen versuchte. Hätte sie ihr spontan ein Bleiberecht schenken sollen?
Reem wird jetzt als Beispiel für verfehlte Flüchtlingspolitik herumgereicht. Die Arme. Denn dazu taugt sie nicht. Sie ist mit ihrer Familie nicht nach Deutschland geflohen, sondern offiziell eingereist, weil sie dringend medizinische Hilfe brauchte und bekam. Sie ist keine der 10.000 unbegleiteten Minderjährigen, die fliehen, weil ihre Heimat in Schutt und Asche gelegt wird.
flüchtlingslager Sie ist zwar in einem Flüchtlingslager geboren, aber im Libanon, und hier liegt das Problem. Denn Reem ist Palästinenserin. Sie und ihre Familie werden als politisches Faustpfand gegen Israel in Stellung gebracht – vom Libanon ebenso wie von der Weltgemeinschaft, allen voran von der UNRWA, einer UNO-Flüchtlingsorganisation, die, einmalig genug, nur für palästinensische Flüchtlinge zuständig ist und die nicht die Integration der Flüchtlinge in ihrer neuen Heimat fördert, sondern dafür sorgt, dass sich der Flüchtlingsstatus von Generation zu Generation vererbt. Wie der Hass, der daraus erwächst.
Die Sahwils wollen keine rechtlosen Flüchtlinge mehr sein. Sie wollen eine Zukunft. Reem spricht jetzt schon besser Deutsch als mancher Beamte, der über sie entscheiden muss. Was ihr als Flüchtling im Libanon, auch durch die UNO, verwehrt bleibt, sollte sie in Deutschland endlich haben: ein angst- und hassfreies Leben. Stattdessen muss sie noch immer bibbern, ob sie bleiben darf, weil es das dringend reformbedürftige deutsche Asyl- und Einwanderungsgesetz so will. Und dieser unwürdige Zustand ist wirklich zum Heulen.
Der Autor ist Journalist in Frankfurt. Von ihm erschien zuletzt: »Israel ist an allem schuld« (zusammen mit Esther Schapira).