Meinung

Was uns die Ukraine angeht

Marina Weisband Foto: imago

Es sind beeindruckende Bilder des Aufbegehrens, die uns auch über den Wechsel des Kalenderjahres begleitet haben: Weiterhin gehen Hunderttausende ukrainische Bürger auf die Straße und protestieren gegen Präsident Viktor Janukowitsch. Ihre Forderung ist so einfach wie fundamental: mehr Demokratie. Es geht längst nicht mehr nur um die EU.

Die Ukrainer sind es leid, von korrupten und verlogenen Politikern regiert zu werden. Das ist bemerkenswert für ein Land, in dem die Bürger normalerweise den Präsidenten dafür verantwortlich machen, wenn bei ihnen zu Hause die Mülltonne kaputt ist. Die Demonstrationen sind nicht weniger als die Geburt einer ukrainischen Zivilgesellschaft. Zum ersten Mal steht hier nicht Regierung gegen Opposition; auch viele Menschen, die sich von keiner politischen Partei vertreten fühlen, begehren auf. Der Tenor der Demonstranten ist: Es kommt auf uns an. Wir dürfen uns nicht immer nur auf die Politik verlassen.

Staatsbankrott Die Proteste loderten hell auf, als die ukrainische Regierung das Assoziierungsabkommen mit der EU unter fadenscheinigen Vorwänden nicht unterzeichnete. Janukowitsch scheint an Russland zu kleben. Statt längst überfällige wirtschaftliche Reformen anzustoßen, wird ein Staatsbankrott nur noch durch billige russische Kredite verhindert. Doch nicht nur wirtschaftlich orientiert sich Janukowitsch an Moskau: In russischer Manier wurden die Proteste in Kiew ein ums andere Mal mit exzessiver Gewalt niedergeschlagen.

Auch das trug dazu bei, dass die Demonstrationen bis heute andauern. Die Ukrainer sehnen sich nach der lebendigen Demokratiekultur Europas. Der erste Schritt dahin war es, sich als Bevölkerung hörbar zu machen. Die nächsten Schritte bestehen darin, sich mit gemeinsamen Forderungen zu institutionalisieren. Nur dann werden diese Proteste nachhaltige Resultate haben.

Davon würde, wie das gesamte Land, nicht zuletzt auch die jüdische Gemeinschaft in der Ukraine profitieren. Anders als beispielsweise in Deutschland oder Frankreich haben Juden in der Ukraine wenig Austausch zu anderen jüdischen Gemeinschaften in Europa. Durch eine engere Anbindung an die EU würde sich auch dies ändern. Mehr als 20 Jahre nach dem Untergang der Sowjetunion könnten sich endlich auch ukrainische Juden europaweit vernetzen. Dies wäre ein weiterer Schritt hin zu einem Projekt, das gemeinhin als die christlich-jüdische Kultur Europas bezeichnet wird.

Die Autorin ist Diplompsychologin und war Geschäftsführerin der Piraten-Partei.

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