Wohl noch nie war die Bundesrepublik so gefordert wie derzeit, zwischen dem Gesundheitsschutz der Bevölkerung und den in unserer Verfassung verbrieften Grundrechten abzuwägen. Das spüren seit dem Beginn des Shutdown wegen der Covid-19-Pandemie auch die Religionsgemeinschaften.
Gerade aus jüdischer Sicht sind die Einschränkungen der Religionsfreiheit kaum zu ertragen – ist diese doch für uns Juden überhaupt erst seit Ende des Zweiten Weltkriegs wieder gegeben.
Generell ist es konstitutiver Bestandteil von Religion, zusammenzukommen und gemeinsam den G’ttesdienst zu begehen. Das können Online-Formate nicht ersetzen. Ganz abgesehen davon, dass damit Menschen ausgeschlossen werden, die zu Hause nicht über die entsprechende Technik verfügen oder sie nicht beherrschen. Das trifft vor allem jene, die ohnehin derzeit am meisten gefährdet sind, gesundheitlich und durch soziale Isolierung: die alten Menschen.
Die jüdische Gemeinschaft will ihrer Verantwortung nachkommen, am Gesundheitsschutz mitzuwirken.
Konzept Die jüdische Gemeinschaft will ihrer Verantwortung nachkommen, am Gesundheitsschutz mitzuwirken. Daher hat der Zentralrat der Juden gemeinsam mit den Rabbinerkonferenzen und Landesverbänden ein Hygienekonzept erarbeitet, um den politisch Verantwortlichen eine Entscheidung für die Durchführung von G’ttesdiensten zu ermöglichen.
Wir werden uns umstellen müssen: Auf längere Sicht werden die G’ttesdienste anders sein, als wir es gewohnt sind.
Es gilt jetzt, über die Einschränkungen nicht zu jammern, sondern sich daran zu freuen, was wieder geht. Es ist schöner, in kleiner Gemeinschaft mit Mundschutz dem Kantor in der Synagoge zu lauschen, als alleine zu Hause zu sitzen. Wichtig bleibt, dass wir die Schutzmaßnahmen nicht vernachlässigen. Denn damit würden wir zugleich das wichtigste jüdische Gebot missachten: den Erhalt und Schutz des Lebens. Das muss jedoch für uns immer an oberster Stelle stehen.
Der Autor ist Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland.