Zweiter Weltkrieg

War der »Wüstenfuchs« ein Widerständler?

Erwin Rommel Foto: picture alliance / ullstein bild

Zweiter Weltkrieg

War der »Wüstenfuchs« ein Widerständler?

Im Ersten Weltkrieg als Held verehrt, später dann des Führers »Lieblingsgeneral«, nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler 1944 zum Suizid gedrängt: Erwin Rommel bleibt in mancherlei Hinsicht ein Rätsel. Eine Bestandsaufnahme

 14.10.2024 13:09 Uhr

»Sein Herz gehörte dem Führer.« Mit triefendem Pathos schloss Generalfeldmarschall Gerd von Rundstedt am 18. Oktober 1944 seine Trauerrede für Erwin Rommel. Beim Staatsakt für Adolf Hitlers »Lieblingsgeneral« im Ulmer Rathaus zog das NS-Regime in der Endphase des Zweiten Weltkriegs noch einmal alle Register der staatlichen Propaganda.

Sämtliche Truppen aus der Umgebung wurden in die Stadt abgeordnet. »Ein Musikkorps spielte unentwegt Trauermärsche, die die Tausenden, die gekommen waren, erschauern ließen«, schreibt Historiker Ralf Georg Reuth. Eine große Hakenkreuz-Fahne bedeckte Rommels Sarg, an dessen Seite Generale des Heeres die Ehrenwache hielten. Die Wochenschau zeigte die Bilder der Zeremonie im ganzen Land.

Ein Autounfall, der keiner war

Laut offizieller Darstellung erlag Rommel am 14. Oktober 1944 den Folgen eines Autounfalls. Die Wahrheit kam erst bei Kriegsende ans Licht - durch Rommels Sohn Manfred, dem späteren Oberbürgermeister von Stuttgart. Als 15-Jähriger hatte er mitansehen müssen, wie die Generäle Wilhelm Burgdorf und Ernst Maisel vor dem Haus der Familie in Herrlingen vorfuhren. Ihr Auftrag: Rommel, dem eine Mitwisserschaft an dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli vorgeworfen wurde, mittels Giftampulle zum Suizid zu nötigen.

»Wir begleiteten ihn bis zum Wagen«, erinnerte sich Manfred Rommel, »wo ihn die Generale mit ›Heil Hitler‹ begrüßten. Mein Vater stieg als erster ein und nahm im Rücksitz Platz.« Der kleine Opel fuhr Richtung Blaubeuren, stoppte aber bereits rund zweihundert Meter hinter Herrlingen.

»General Maisel ging mit mir weg, noch ein Stück höher den Weg hinauf«, berichtete der Fahrer des Wagens später. Wenige Minuten darauf seien sie zurückgekehrt. »Ich sah Rommel hinten im Wagen sitzen, offenbar im Sterben. Besinnungslos, in sich zusammengesunken, schluchzend, nicht röchelnd oder stöhnend.«

Ein Leben als Soldat

Im Verborgenen endete das Leben jenes Mannes, den Hitler zu dessen Ableben noch einmal für seine »hervorragende Tapferkeit und unerschrockenes Draufgängertum« lobte. Bereits im Ersten Weltkrieg hatte der am 15. November 1891 im schwäbischen Heidenheim geborene Rommel für Furore gesorgt - und für seinen Einsatz an der norditalienischen Isonzo-Front den Orden Pour le merite erhalten.

Während der Weimarer Republik blieb Rommel Soldat. Als Militär blickte er auf die Welt, von Adolf Hitler erhoffte sich der aufstrebende Offizier vor allem eine Modernisierung der Truppe. Sein Verhältnis zur menschenverachtenden Ideologie des Nationalsozialismus blieb dagegen über weite Strecken »erschreckend naiv«, so Historiker Reuth.

Noch 1943 soll er dem »Führer« vorgeschlagen haben, einen Juden zum Gauleiter zu ernennen, um das Ansehen Deutschlands zu verbessern. »Mein lieber Rommel, Sie haben nichts von dem verstanden, was ich will«, lautete die Antwort Hitlers.

Enorme Geländegewinne

Der »Mythos Rommel« nährte sich vor allem aus den Erfolgen des Heerführers in Afrika. Unter seiner Führung wollte das Deutsche Afrikakorps ab 1941 die Briten aus Ägypten vertreiben. Schnelle Vorstöße brachten zunächst enorme Geländegewinne. Endgültig wurde der schneidige General zu einem Lieblingsobjekt der deutschen Propaganda - während die Gegner die taktischen Leistungen des »Wüstenfuchses« überhöhten, um von den eigenen Niederlagen abzulenken. »Zählt denn etwas anderes, als ihn zu schlagen?«, fragte der britische Premier Winston Churchill.

Die Stunde der Alliierten schlug im Herbst 1942 in El-Alamein. Für den zuvor noch zum Generalfeldmarschall beförderten Rommel ging es nach den Niederlagen in Afrika weiter an die Westfront. Spätestens in der Normandie dämmerte ihm, dass Hitlers Kurs zum Scheitern verurteilt war. »Die Truppe kämpft allerorts heldenmütig, jedoch der ungleiche Kampf neigt dem Ende entgegen«, legte er am 15. Juli 1944 in einer Denkschrift dar.

Ob er vor diesem Hintergrund tatsächlich engere Kontakte zum Widerstand hatte, bietet auch 80 Jahren nach Rommels Tod Stoff für Diskussionen. Von den Attentatsplänen der Gruppe um Claus Schenk Graf von Stauffenberg habe er wohl nichts gewusst, so Historiker Winfried Heinemann. Mit seinem Suizid gelang es Rommel laut Georg Reuth, seine Familie vor Verfolgung und Sippenhaft zu bewahren.

Weimar

Zwischen Halbmond und Hakenkreuz - Wie Muslime der Waffen-SS nach Buchenwald kamen

Ende 1944 erreichen das Konzentrationslager Buchenwald wenigstens zwei Transporte mit muslimischen Gefangenen. Die mehr als 100 Bosnier sind Angehörige der Waffen-SS und in ihrer Heimat desertiert. Bislang ist wenig über ihr Schicksal bekannt

von Matthias Thüsing  23.04.2025

Verschwörungstheorien

Gedenkstätte Auschwitz kämpft gegen Desinformation

Holocaust-Leugner verbreiten ihre Thesen vor allem über das Internet. Mit einer Online-Lektion will die Gedenkstätte im ehemaligen deutschen Konzentrationslager mit Verschwörungsmythen aufräumen

von Doris Heimann  23.04.2025

Schoa

Der erste Schritt zu den Gräueln des Holocaust

Vor 90 Jahren wurde in Dachau das erste Konzentrationslager der Nazis eingerichtet

von Johannes Senk  23.04.2025

80 Jahre nach der Befreiung

Streit um Gedenken in Bergen-Belsen

Die Kinder von Überlebenden werfen den Veranstaltern vor, sie zu boykottieren

 23.04.2025

New York/Tel Aviv

Weltweiter Judenhass erreicht weiterhin alarmierendes Ausmaß

In den USA erreicht die Zahl der durch Antisemitismus motivierten Vorfälle neue Rekordwerte

 23.04.2025

Meinung

Ich habe versagt

Damit sich ein Ereignis wie die Schoa nicht wiederholt, kommt es darauf an, wie wir erinnern. Doch wir sind offenbar dabei, genau das den Falschen zu überlassen

von Sophie Albers Ben Chamo  23.04.2025

Sandbostel

Stumme Zeugen des Grauens

Archäologen fördern verborgene NS-Geschichte zutage

von Dieter Sell  23.04.2025

Berlin

Gewaltbereite Israelfeinde planen Aufzug am 1. Mai

Die Behörden sehen viel Gewaltpotential. Sie wollen Tausende Polizeibeamte einsetzen

von Imanuel Marcus  23.04.2025

Nachruf

Förderer des katholisch-jüdischen Dialogs, aber auch harter Kritiker Israels

Papst Franziskus ist am Montag im Alter von 88 Jahren gestorben. Sein langjähriger Gesprächspartner, Rabbiner Jehoschua Ahrens, nimmt Abschied

von Rabbiner Jehoschua Ahrens  23.04.2025