Ich fahre nach Israel, um zu wählen» – auf diesen nüchternen Eintrag auf seiner Facebook-Seite ist Shlomi schon ein bisschen Stolz: «Ich habe dieses dringende Bedürfnis, nach Israel zu fahren und wirklich etwas zu verändern – ich hoffe, dass meine Stimme auch zu einem politischen Wechsel beitragen kann.»
Shlomi ist einer von geschätzten 15.000 Israelis, die in Berlin leben und arbeiten – die von Deutschland aus aber nicht wählen können, denn eine Abstimmung per Brief für die Wahlen zur 20. Knesset gibt es nicht. Einzig Mitarbeiter des diplomatischen Dienstes und Botschaftsangehörige dürfen vom Ausland aus ihre Stimme abgeben. Das aber auch erst seit 1996.
In Berlin wählte Israels Botschafter Yakov Hadas-Handelsman bereits am 5. März – «wie die Mehrheit der israelischen Bürger und Bürgerinnen sind auch wir sehr gespannt auf die Ergebnisse der nächsten Woche», so der Botschafter.
Service Diesen Briefwahl-Service hat der normale Israeli nicht. Maya findet das schade, denn sie kann wegen ihrer Arbeit nicht nach Israel reisen und ihre Stimme dort abgeben. Theoretisch hätte sie sich Urlaub nehmen können, aber praktisch ging das nicht, denn die Programmiererin, die mit ihrem Mann seit fünf Jahren in der deutschen Hauptstadt lebt, steckt mitten in einem großen Projekt. «Aber wenn ich nach Israel hätte fliegen können, dann wäre meine Stimme nicht an den Likud gegangen» – so viel will sie verraten. Für welche der 26 Parteien die 28-Jährige denn gestimmt hätte, behält sie für sich. «Nichts Konservatives», das sei klar.
Auch Michal bleibt in Berlin, aber nicht, weil sie nicht wählen will, sondern aus ganz praktischen Gründen, wie die Übersetzerin, die seit zwei Jahren hier lebt, beschreibt: Es sei nicht gerade günstig, so kurzfristig nach Israel zu fliegen, außerdem sei es auch nicht so leicht mit dem Job zu vereinbaren, denn gewählt wurde am Dienstag. In Israel ist der 17. März ein freier Tag. Michal verfolgt das Geschehen allerdings über soziale Medien.
Wie viele Israelis in die alte Heimat geflogen sind, kann keiner genau beziffern. Jeder kennt jemanden, der wiederum jemanden kennt, der ein Ticket gebucht hat, um – kombiniert mit einem Familienbesuch – auch noch seiner ersten Bürgerpflicht nachzukommen.
Zwar bot die staatliche israelische Fluggesellschaft EL AL keine speziellen «Wahltarife» an, aber Marion Paderna von EL AL sagte der Jüdischen Allgemeinen, dass Flüge in diesem Zeitraum «ausgebucht oder sehr gut ausgelastet» gewesen seien. Dies, so vermutet Paderna, könne durchaus auf die Knessetwahl zurückzuführen sein. Passagiere aus Berlin hätten bei der Billiglinie Up im Zeitraum vom 17. bis 19. März bei einer Buchung keinen Mindestaufenthalt berücksichtigen müssen.
Meretz Die ersten Prognosen und die möglichen Koalitionen, die sich aus der Wahl zur 20. Knesset ergeben, hat Shlomi gemeinsam mit seiner Familie verfolgt. Die hatte zwar seit Jahren den Likud gewählt, doch inzwischen seien sie an einem Punkt angekommen, an dem sie sich für die Arbeitspartei entschieden haben. «Und so geht es nicht nur meiner Familie», erzählt der Opernsänger. «Wird Bibi Teil der Koalition werden? Wie wird Meretz abschneiden?» – diese Fragen beschäftigen den 30-Jährigen.
Außerdem hat Shlomi bemerkt, dass sich in den zwei Jahren, die er in Berlin lebt, noch etwas getan hat: «Meine Einstellung gegenüber Israel hat sich verändert. Ich habe als Israeli eine Verantwortung meinem Land gegenüber.» Etwas, das vor seiner Zeit in Berlin noch anders war – denn zu den Wahlen im Januar 2013 ist Shlomi nicht nach Israel geflogen.