CDU/CSU-Kongress

»Wachsam sein«

Franz Josef Jung, Thomas de Maizière, Josef Schuster, Volker Kauder (v.l.) Foto: Uwe Steinert

Führende Unionspolitiker haben bei einem Kongress der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Thema »Jüdisches Leben in Deutschland – Ist es gefährdet?« betont, die Sicherheit der jüdischen Gemeinschaft in der Bundesrepublik habe oberste Priorität für die deutsche Politik. »Dass Menschen jüdischen Glaubens sich in Deutschland sicher fühlen, ist für mich und für die ganze Bundesregierung, die Innenminister der Länder, für die Polizei in Bund und Ländern von ganz zentraler Bedeutung«, sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) in der vergangenen Woche in Berlin.

Zu dem Kongress waren etwa 300 Teilnehmer in das Reichstagsgebäude in Berlin gekommen, unter ihnen der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, und Zentralratsgeschäftsführer Daniel Botmann.

verlass Josef Schuster sagte in einer halbstündigen Rede, er wisse, »dass wir uns beim Kampf gegen Antisemitismus auf die Bundesregierung und die Unionsfraktionen verlassen können«. Zweifel an jüdischem Leben in Deutschland, betonte Schuster, »gibt es nicht und wird es auch in Zukunft nicht geben«. Schuster dankte der CDU/CSU für ihre Initiative, sagte aber auch, er hätte sich gewünscht, »dass solch ein Kongress, wie er heute hier stattfindet, gar nicht erst erforderlich gewesen wäre«.

Fast alle Redner bei der Veranstaltung – Innenminister de Maizière, der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, sowie Franz Josef Jung, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Kirchenbeauftragter der Unionsfraktion, nahmen Bezug auf den Anstieg antisemitischer Straftaten im Jahr 2014 um 25 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 80 Prozent dieser Straftaten seien rechtsextremen Tätern zuzuordnen, so die Unionspolitiker. Doch auch bei antisemitischen Straftaten von Linksextremisten und Islamisten sei eine Steigerung zu verzeichnen.

De Maizière sprach insbesondere die Gefährdung jüdischer Einrichtungen in Europa nach den Anschlägen auf das Jüdische Museum in Brüssel im Mai 2014 sowie in Paris und Kopenhagen Anfang 2015 auf einen koscheren Supermarkt und eine Synagoge an. Deutschland sei von Anschlägen dieses Ausmaßes bisher verschont geblieben: »Aber wir müssen wachsam sein.« Es wäre »fahrlässig optimistisch, anzunehmen, dass es heutzutage im Schengen-Raum unterschiedliche Ausmaße der Verwundbarkeit jüdischen Lebens gibt«, betonte de Maizière.

zentralrat Die Zusammenarbeit zwischen den Behörden, jüdischen Einrichtungen vor Ort und dem Zentralrat sei sehr intensiv, sagte der Innenminister weiter: »Bei möglichen bundesweiten Gefährdungslagen aus dem Bereich des islamistischen Terrors erfolgt die Kommunikation über das Bundeskriminalamt und den Zentralrat der Juden in Deutschland.« Es gebe keine andere Institution oder Organisation, »mit der wir in Deutschland eine so enge Partnerschaft im Interesse der Sicherheit jeden Tag pflegen«, unterstrich de Maizière.

Volker Kauder, Chef der CDU/CSU-Fraktion, erklärte: »Antisemitismus ist kein Problem des Staates Israel und kein Problem der Juden, die hier in Deutschland leben, sondern es ist das alleinige Problem von uns hier in Deutschland.« Antisemitismus müsse öffentlich benannt werden, auch wenn es sich bei den Trägern des Judenhasses um Muslime und/oder Araber handele: »Wer Deutscher werden will, muss wissen, dass in unserem Land das Existenzrecht Israels zur Staatsräson gehört«, betonte Kauder.

basis An einer anschließenden Podiumsdiskussion zum Thema »Jüdisches Leben im heutigen Deutschland – Normalität oder Ausnahmezustand?«, die von dem TV-Journalisten Werner Sonne moderiert wurde, nahmen unter anderem Schuster, der Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums in Potsdam, Julius H. Schoeps, und die niedersächsische Hauptschullehrerin Lisa Scheremet teil. Sie berichtete von antisemitischen Äußerungen muslimischer Schüler: »Es ist ziemlich furchtbar, was ich jeden Tag erlebe.«

In Richtung der Politiker sagte sie: »Ich bin sehr gerührt von diesem Engagement, das ich hier sehe, aber an der Basis bekommen wir davon nichts mit.« Als sie einen jüdischen Bekannten gebeten habe, in ihrer Klasse über Juden im Alltag zu sprechen, habe es in der Schule geheißen, man wisse nicht, aus welchem Topf man die 17 Euro Fahrtkosten nehmen solle.

Mit der Ansage »Achtung, Minenfeld!« versuchte Werner Sonne, den Zentralratspräsidenten zu einer Abgrenzung zwischen Antisemitismus und Israelkritik zu bewegen. Schuster konterte ruhig: »Ich würde es gar nicht so schwierig sehen. Es spricht doch nichts gegen eine sachlich vorgetragene Kritik an politischen Geschehnissen, politischen Meinungen, politischen Stellungnahmen in Israel. Da braucht man gar nicht so weit zu gehen. Auch wenn ich jetzt bei der Unionsfraktion bin: Mitunter gibt es auch mal Thesen der Bundesregierung oder der Bundeskanzlerin, denen ich vielleicht nicht voll zustimme.«

Berlin

Influencer soll wegen Raketenschuss zügig angeklagt werden

Seine Aktion zu Silvester hat für Empörung gesorgt - und den Mann aus dem Westjordanland ins Gefängnis gebracht. Da will er schnell wieder raus. Auch die Justiz hat es eilig

 07.01.2025

Medien

Presseschau zur Situation in Österreich: »Kickl ist ideologisch näher bei Höcke als bei Weidel«

Zahlreiche Medien kommentieren den Auftrag der rechtsextremen FPÖ zur Regierungsbildung in Österreich. Eine Auswahl

 07.01.2025

Nahost

Amnesty gegen Amnesty

Laut einem Bericht der »Jerusalem Post« hat die Menschenrechtsorganisation ihre israelische Sektion ausgeschlossen

 07.01.2025

Meinung

Treitschke ist nicht »umstritten«

Die CDU in Berlin-Steglitz weigert sich, den eindeutigen Antisemitismus des Historikers anzuerkennen – und macht sich damit im Streit um einen Straßennamen unglaubwürdig

von Sebastian Leber  07.01.2025

Nahost

Irans Militär probt Luftverteidigung bei Atomanlage Natans

Kurz vor Donald Trumps erneuter Amtsübernahme bereitet sich das iranische Militär auf mögliche Angriffe auf seine Atomeinrichtungen vor

 07.01.2025

Berlin

Lagodinsky verzichtet auf Bundestagskandidatur

Der grüne Europaabgeordnete will sich nun doch nicht um das Direktmandat im Berliner Wahlkreis Pankow bewerben

 07.01.2025

Essay

Ritt ins Verderben

Gedanken eines österreichischen Juden zu einer möglichen Kanzlerschaft des Rechtsextremisten Herbert Kickl

von Vladimir Vertlib  06.01.2025

Berlin

So reagiert die AfD auf den FPÖ-Erfolg in Österreich

Die Chefin der rechtsextremen Partei meldet sich direkt zu Wort

 06.01.2025

"Lebensborn"

Was von den Heimen der »Herrenmenschen« übrig blieb

Die SS träumte von einer neuen »Eliterasse«. Ausgewählten Müttern unehelicher Kinder bot sie diskrete Entbindungen an. Nach dem Krieg kamen die Mündel in die Obhut katholischer Vereine. Einer trägt bis heute schwer an dem Erbe

von Christoph Renzikowski  06.01.2025