Für Jakob Reimann ist Israel ein »Apartheidstaat«, Gaza ein »Freiluftgefängnis« und die Bedrohung, die das iranische Regime für den jüdischen Staat darstellt, eine Chimäre.
So äußert sich der freie Journalist in seinen Artikeln und auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Am 25. Juli sollte er im Rahmen des Kulturprogramms des Augsburger Hohen Friedensfests einen Vortrag halten. Das Thema: Israel.
Nach heftiger Kritik an Reimann wurde sein Vortrag jedoch wieder aus dem Programm des Friedensfestes genommen. Mit diesem Schritt wolle man »Schaden von der Friedensstadt Augsburg« abwenden, erklärte Klaus Stampfer, Sprecher der Augsburger Friedensinitiative (AFI), in einer Stellungnahme. Die AFI hatte zusammen mit weiteren Organisationen den freien Journalisten Reimann eingeladen. Dessen Vortrag solle nun »zu einem späteren Zeitpunkt« stattfinden.
Gleichzeitig verteidigte die AFI ihre Einladung Reimanns. Man betrachte ihn als einen »Kenner der israelischen Regierungspolitik« und eine »kritische Stimme« zu dem Thema, sagte der AFI-Sprecher dieser Zeitung. »Eine ernsthafte und weiterführende politische Diskussion verlangt keine gleichgeschaltete Propaganda, sondern einen konstruktiven Streit.« Reimanns Ansichten betrachte die AFI als »im Einklang mit unseren Prinzipien«.
Die Stadt Augsburg betonte in einer Stellungnahme, nicht der Veranstalter des Vortrags gewesen zu sein. »Das kulturelle Rahmenprogramm zum Friedensfest entsteht partizipativ gemeinsam mit den verschiedensten zivilgesellschaftlichen Initiativen der Stadtgesellschaft.« Die Stadt distanziere sich »ausdrücklich von Antisemitismus und Rassismus«.
kritik Die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Schwaben-Augsburg hatte zuvor gegen den geplanten Vortrag von Reimann Einspruch erhoben. Die Einladung Reimanns habe zu »erheblichen Irritationen« geführt und stelle »eine ernsthafte Besorgnis dar«, schrieb die Jüdische Gemeinde in einer Stellungnahme, die dieser Zeitung vorliegt.
Die IKG rief dazu auf, Reimanns Auftritt »zu überdenken und sicherzustellen, dass Personen, die extremistische Ideologien oder antisemitische Ansichten vertreten, von solchen Veranstaltungen ausgeschlossen werden«. Das Augsburger Friedensfest solle »keinesfalls Plattformen für Hassrede oder extremistische Propaganda bieten«, so die Gemeinde.
»Das Hohe Augsburger Friedensfest führt sich mit diesem Vortrag ad absurdum.«
dig-präsident volker beck
Auch Volker Beck, der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), forderte, dass die Entscheidung, Reimann auf dem Friedensfest referieren zu lassen, »korrigiert« wird. »Jakob Reimann ist in den sozialen Netzwerken für seine obsessive Hetze gegen Israel berüchtigt«, sagte Beck dieser Zeitung. »Das Hohe Augsburger Friedensfest führt sich mit diesem Vortrag ad absurdum«, zeigte sich Beck überzeugt. »Das Bekenntnis zum friedlichen Miteinander in einer vielfältigen Stadtgesellschaft der Stadt Augsburg wird entwertet.«
Die Augsburger FDP äußerte in einer Pressemitteilung »große Bedenken, dass das Hohe Friedensfest als Forum für antisemitische Äußerungen genutzt werden könnte«. Es dürfe nicht passieren, »dass im Begleitprogramm des Friedensfestes einer Person Raum gegeben wird, die in Internet-Blogs regelmäßig durch allzu pauschale Kritik am Staat Israel und dessen jüdischer Bevölkerung auffällt«, erklärte der Augsburger FDP-Stadtrat Lars Vollmar. Von der Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) verlangte die FDP, »bei der Auswahl des Programms mehr Sorgfalt an den Tag zu legen«.
Aussagen Laut eigener Aussage hat Reimann 2015 für ein Jahr als Dozent an der naturwissenschaftlichen Fakultät der An-Najah University in Nablus gearbeitet und einige Zeit in Israel gelebt. Die Kritik an ihm stützt sich auf zahlreiche Aussagen, die er in sozialen Medien und in Artikeln für Medien wie die linksextreme Tageszeitung »Junge Welt« oder die von manchen Experten dem verschwörungsideologischen Spektrum zugeordneten »NachDenkSeiten«, für die er bis Ende 2021 schrieb, getätigt hat.
Auf den »NachDenkSeiten« veröffentliche Reimann im April 2021 einen Text über die israelischen Bestrebungen, eine iranische Atombombe auch mit gewaltsamen Sabotageakten zu verhindern. Reimann nennt dieses Vorgehen »Staatsterrorismus«. Dass der damalige iranische Präsident Hassan Rohani in diesem Zusammenhang von »nuklearem Terrorismus« sprach, findet Reimann »vollkommen zutreffend«.
Um seine Wortwahl plausibel zu machen, zieht Reimann folgende Analogie: »Wenn Al-Qaida einen Bombenanschlag auf die einzige deutsche industrielle Urananreicherungsanlage Gronau in NRW durchführen würde, würden wir natürlich von Terrorismus sprechen.«
Reimann spricht von einem »schwindelerregenden Ausmaß« der »terroristischen Energie der israelischen Führung«. Die iranische Unterstützung von Terrorgruppen wie die libanesische Hisbollah nennt Reimann dagegen »Irans einzige Rückversicherung« gegen den »westlichen Imperialismus«.
Die Gefahr, die das iranische Regime für den jüdischen Staat bedeutet, spielt Reimann herunter.
Die Gefahr, die das iranische Regime für den jüdischen Staat bedeutet, spielt Reimann herunter. Dass iranische Staatsoberhäupter wiederholt die Absicht bekundet haben, Israel zu vernichten, erwähnt er in seinem Artikel für die »NachDenkSeiten« nicht. Stattdessen behauptet er, das Regime in Teheran beabsichtige gar nicht, Atomwaffen zu erlangen.
Im März 2023 warf Reimann dem außenpolitischen Sprecher der SPD, Michael Roth, vor, dass dieser »fantasiert«. Roth hatte in einem Interview für den Deutschlandfunk gesagt, dass Israels Sicherheit durch das iranische Atomprogramm gefährdet sei.
Ankündigung In Augsburg hatte Reimann im städtischen Reichlesaal im Zeughaus über den »Rechtsruck in Israel« referieren sollen. »In der Regierung von Israels Premierminister Netanjahu sitzen nun auch Vertreter der radikalen Rechten«, hieß es im Ankündigungstext. Für Reimann war das offenbar aber schon vor der Bildung der aktuellen Regierung der Fall.
Im Juni 2022 twitterte er: »Israel ist ein Apartheidstaat, geführt von Rechtsradikalen!« Zu diesem Zeitpunkt war der israelische Ministerpräsident Naftali Bennett, der eine breite Koalition unter Einschluss der arabischen Partei »Ra’am« anführte.
Über den Nahostkonflikt schreibt Reimann: »Besatzungen können niemals von Dauer sein, sondern werden irgendwann in die Luft fliegen.« Und als gegen den Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, im vergangenen Jahr Ermittlungen wegen Holocaust-Relativierung aufgenommen wurden, beklagte Reimann, in Deutschland würde nur »gegen die Opfer der Opfer« ermittelt, nicht aber gegen »die Nachfahren der Täter«. Abbas hatte bei einem Staatsbesuch in Berlin von »50 Holocausts« gesprochen, die Israelis an Palästinensern verübt hätten.
Die Anfrage der Jüdischen Allgemeine zu seinen Aussagen und den Vorwürfen gegen ihn beantwortete Reimann bisher nur teilweise. Eine ausführlichere Stellungnahme kündigte er jedoch für Donnerstag an.
Kalender Die Geschichte des Augsburger Hohen Friedensfestes, das jährlich am 8. August begangen wird, geht bis ins 17. Jahrhundert zurück und 2018 wurde das Fest in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Das begleitende Kulturprogramm, dessen Inhalte dezentral organisiert werden, gehört zu den wichtigsten Ereignissen im Kalender der Stadt Augsburg. In diesem Jahr steht das Friedensfest unter dem Motto »Zusammenhalt«.