Wer in den vergangenen Wochen die unerfreuliche Erfahrung gemacht hat, aus Versehen auf die Homepage des Erzbistums Regensburg zu klicken, konnte das tragikomische Schauspiel bestaunen, wie ein Bischof angesichts des Missbrauchsskandals in seiner Kirche völlig die Bodenhaftung verlor. Auch die leiseste Kritik an ihr tat Bischof Gerhard Ludwig Müller mit wüsten Worten als böse Medienkampagne ab. Dazu ließ der Oberhirte einen Bericht über eine antikatholische Kampagne der Nazis 1936/37 stellen. Nun hat Müller in einer Predigt erneut die NS-Karte gezogen: Wie im Dritten Reich habe man als katholischer Christ wieder unter einer »Kampagne gegen die Kirche« zu leiden.
Predigt Nun ist der Nazivergleich in Deutschland ja leider wohlfeil. Wenn einem gar nichts mehr einfällt, greift man eben auf dieses geschichtsverfälschende Mittel zurück. Wer den Predigttext genau liest, mag seinem Verfasser zugutehalten, dass er zum Beispiel nicht gesagt hat, Katholiken heute würden leiden wie Juden damals. Immerhin. Dennoch zeugt es von einer zutiefst undemokratischen und vormodernen Geisteshaltung, dass Müller offenbar glaubt, Kritik an der Kirche oder gar an ihm sei unstatthaft. Diese Haltung macht deutlich: Der Bischof hat nichts verstanden.
Gott sei Dank gibt es in all dieser Tristesse auch Positives zu vermelden: Der konservative Vorsitzende des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück (CSU), kommentierte Bischof Müllers Nazivergleich trocken und völlig zu Recht so: »Ich glaube, er wird der Situation der Kirche in der Nazizeit nicht gerecht.« Sogar Kurienkardinal Walter Kasper meldete sich aus Rom zu Wort und empfahl Müller, nicht mit dem Finger auf andere zu zeigen: »Wir sollten unser eigenes Haus in Ordnung bringen.« Zumal, wenn es um einen so schweren Vorwurf wie sexuellen Missbrauch geht. Dass der bayerische Bischof von den eigenen Leuten zurückgepfiffen wird, ist ein wichtiges Signal.