Herr Klein, Sie verleihen am 7. September den Ehrenamtspreis für jüdisches Leben in Deutschland. Was ist die Idee dieser Auszeichnung?
Die Förderung jüdischen Lebens in Deutschland ist eine meiner Kernaufgaben als Beauftragter. Und wie andere Bereiche der Gesellschaft ist auch das jüdische Leben in seiner Vielfalt vom ehrenamtlichen Engagement geprägt. Ich finde es wichtig, dass wir das würdigen und diejenigen auszeichnen, die sich engagieren.
Um den Ehrenamtspreis können sich Einzelpersonen, Initiativen und Gruppen bewerben. Was charakterisiert deren Engagement?
Es ist sehr erfreulich, dass wir Bewerbungen von überall aus Deutschland bekommen haben – auch aus vielen ländlichen Bereichen, wo es Initiativen gibt, die wir noch nicht auf dem Schirm hatten. Die gesamte Vielfalt jüdischen Lebens ist vorhanden: Es geht um jüdische Küche, jüdische Bildung, Vermittlung jüdischer Kultur in Stadtvierteln, aber auch um Themen wie Feminismus, Altenpflege und Erinnerungskultur. Es ist wirklich großartig zu sehen, wie vielfältig dieses Engagement in Deutschland ist.
Etwa 40 Prozent der Bevölkerung in ganz Deutschland leistet freiwillig in ihrer Freizeit einen Beitrag. Ist Ihrer Erkenntnis nach das Engagement in der jüdischen Gemeinschaft ebenso ausgeprägt?
Es gibt keine verlässlichen Zahlen darüber, wie das ehrenamtliche Engagement im Verhältnis zur Gesamtgesellschaft ist. Aber ich denke schon, dass das Ehrenamt eine ganz besondere Bedeutung im jüdischen Leben hat. Und es ist auch in der jüdischen Kultur selbst angelegt durch die Mizwot und die Verpflichtung, sich um andere Menschen zu kümmern. Zugleich ist es wichtig, dass das Engagement gewürdigt wird und nicht nur als kulturelle Realität hingenommen wird. Schließlich leisten diese Initiativen nicht zuletzt wertvolle Beiträge für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.
Ehrenamt stärkt Demokratie, heißt es. Wie kann das gerade in diesen Zeiten besonders notwendige Engagement noch weiter gefördert werden?
Der bedeutende Verfassungsrechtler Ernst-Wolfgang Böckenförde hat einmal gesagt, dass der Staat die Voraussetzungen, von denen er selbst lebt, nicht selbst schaffen kann. Mit staatlicher Hilfe können wir zwar über Bildung oder auch repressive Maßnahmen die Demokratie verteidigen. Aber die Grundlagen der Demokratie müssen eben aus der Zivilgesellschaft kommen. Und hier ist das Ehrenamt wirklich ein ganz entscheidender Faktor. Deswegen brauchen wir das in allen Bereichen. Ehrenamtliche Initiativen sollten mehr in den Blick genommen werden. Ich finde auch, dass dafür staatliche Unterstützung noch stärker und systematischer erfolgen sollte, auch in finanzieller Hinsicht.
Mit dem Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus sprach Detlef David Kauschke.