Kommentar

Viel Lärm um nichts?

Michael Thaidigsmann Foto: privat

Bald jähren sich die Hamas-Massaker zum ersten Mal. Seit dem 7. Oktober 2023 ist alles anders, auch für die meisten Juden in Deutschland. Die Antisemitismuszahlen sind durch die Decke gegangen. Auf Straßen und Plätzen im ganzen Land schlägt Juden blanker Hass entgegen.

Dass sich die vier demokratischen Fraktionen im Bundestag deshalb um eine gemeinsame Resolution bemühen, wie jüdisches Leben geschützt werden kann, ist zu begrüßen. Denn es braucht den Schulterschluss der Demokraten gerade jetzt. Nicht nur gegen die Gefahr von rechts, auch gegen andere Spielarten des Judenhasses: den von links, den aus der muslimischen Community und auch den in der Mitte der Gesellschaft.

Das Motto »Nie wieder ist jetzt« wirkt jedoch hohl, wenn sich SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und FDP auch nach monatelangen Verhandlungen nicht auf eine unverbindliche Resolution verständigen können. Denn immer noch gibt es Streit über einzelne Formulierungen.

Ein Grund dafür ist, dass interessierte Kreise versuchen, dem Text sprichwörtlich alle Zähne zu ziehen. An die Medien werden wahre Schauermärchen durchgestochen. Zum Beispiel, dass künftig der Verfassungsschutz eingesetzt werden soll, um Kunst und Wissenschaft zu überwachen. Oder, dass Kritik an Israels Vorgehen in Gaza unterbunden würde.

Lesen Sie auch

Solche Vorhaltungen sind Unsinn. Sie zielen darauf ab, eine gemeinsame Positio­nierung des Bundestages zum Antisemitismus ganz zu verhindern oder den Text zu verwässern. Klar ist aber: Mit einer Entschließung des Parlaments, die keinen Biss hat und nur hehre Worte enthält, ist keinem gedient.

Nein, der Bundestag muss Tacheles reden. Er muss konkrete Handlungsoptionen aufzeigen, wie Juden in Deutschland besser vor Anfeindungen geschützt und wie jüdisches Leben gesichert werden kann. Wer vor den immer gleichen Bedenkenträgern einknickt, die bei jedem staatlichen Handeln gleich die Alarmglocke läuten, braucht am 7. Oktober auch keine Gedenkstunde abzuhalten.

thaidigsmann@juedische-allgemeine.de

Antisemitismus

Mehr Vandalismus an Gedenkstätten

Laut RIAS haben judenfeindliche Beschädigungen an Erinnerungsorten in Berlin massiv zugenommen

 02.11.2024

Antisemitismus

Deutsch-Israelische Gesellschaft begrüßt Einigung auf Resolution

DIG-Präsident Volker Beck fordert, dass angekündigte gesetzgeberische Maßnahmen zügig umgesetzt werden

 02.11.2024

Bundestag

Union und Ampel einigen sich auf Antrag gegen Antisemitismus

Monatelang haben Abgeordnete von Union, SPD, FDP und Grünen über ein gemeinsames Papier verhandelt – und gestritten

 02.11.2024

Berlin

»Ein Moment der vorsichtigen Zuversicht«

Zentralrat der Juden äußert sich zur Einigung bei der geplanten Antisemitismus-Resolution des Bundestags

 02.11.2024

Nahost

Was hat Israels Angriff auf den Iran gebracht?

Eine Analyse von Michael Wolffsohn

von Michael Wolffsohn  01.11.2024

Auswärtiges Amt

Deutsche sollen Iran verlassen, um Geiselhaft zu vermeiden

Nach der Hinrichtung von Djamshid Sharmahd findet ein Sprecher deutliche Worte

 01.11.2024

Pandemie-Aufarbeitung

Virologe Streeck vergleicht Corona-Ungeimpfte mit Juden

»Es wurden Schuldige gesucht, wie es bei der Pest mit den Juden gemacht wurde und bei HIV mit den Homosexuellen«, so Streeck

 01.11.2024

Deutschland

Außenministerin Baerbock schließt alle iranischen Generalkonsulate

Die Bundesregierung reagiert damit auf die Hinrichtung von Djamshid Sharmahd

 31.10.2024

Australien

Thom Yorke stellt Störer zu Rede

Der Konzertteilnehmer hatte den Sänger aufgefordert, sich zum Gaza-Krieg zu positionieren

 31.10.2024