Wie nennt man jemanden, der in ein Casino geht und dort beim Roulette 70 Dollar auf die rote 13 setzt – dann sirrt die kleine weiße Elfenbeinkugel kreisrund im Holz herum, und schließlich setzt sie sich nach ein paar Hüpfern in der schwarzen 17 fest? Genau, einen Verlierer – auf Englisch: einen »loser«.
Und wie nennt man jemanden, der auf einen Satz 70 Millionen verzockt? Richtig, Casinobesitzer. Sein Name: Sheldon Adelson. Er ist der große Verlierer der Präsidentschaftswahlen dieses Jahres. Nicht Mitt Romney, dessen Name in ein paar Wochen vergessen sein wird, auch nicht Romneys Mitbewerber Paul Ryan, der – wer weiß – vielleicht noch eine große politische Zukunft vor sich hat.
las vegas Sheldon Adelson ist in Wahrheit sogar gleich doppelt ein »loser«. Wir erklären sofort, was es damit auf sich hat. Zunächst aber: Wer ist dieser Mann? Geboren wurde er 1933 als Sohn eines Taxifahrers und einer Strickmaschinenbesitzerin, die aus England immigriert waren. Sohn Sheldon soll schon mit zwölf Jahren sein Geschick als Unternehmer bewiesen haben; er verkaufte Bagels und Zeitungen auf der Straße, später wurde er Börsenmakler, Vermögens- und Finanzberater und organisierte Gruppenreisen. In den 80er-Jahren stellten Adelson und seine Partner die »COMDEX« auf die Beine, eine Computermesse in Las Vegas. Mitte der 90er-Jahre verkauften Adelson und seine Partner ihre Anteile daran an eine japanische Firma; so verdiente er eine halbe Milliarde Dollar.
Schon davor war Adelson groß ins Casinogeschäft eingestiegen. Er kaufte das legendäre »Sands Hotel« in Las Vegas, in dem früher Frank Sinatra aufgetreten war; und weil es ihm in den Flitterwochen in Venedig so gut gefallen hatte, ließ er das Sands abreißen und errichtete an seiner Stelle »The Venetian«. Wer schon einmal in Las Vegas war, der weiß, dass es sich um einen der irrsten Orte dieses Planeten handelt: ein monumentales Hotelcasino mit einem echt falschen Canale Grande in der Mitte – Gondolieri singen dort mit der Akustik eines Hallenbades, während sie zahlende Gäste durch das ultramarinblaue Wasser paddeln.
Mit dem »Venetian« wurde Adelson steinreich – der Sprung in die Klasse der Multimilliardäre aber gelang ihm erst, als er 2004 in Macau, ehemals eine portugiesische Kolonie, das erste Casino der Volksrepublik China eröffnete. Heute gilt Sheldon Adelson als der zwölftreichste Amerikaner, so das in solchen Dingen zuverlässige Wirtschaftsmagazin »Forbes«. Sein Privatvermögen wird auf 20,5 Milliarden Dollar geschätzt.
sponsor Eigentlich interessierte sich Sheldon Adelson nicht besonders für Politik. Aber dann, so erzählt er, war er 1988 auf dem Parteitag der Demokraten in Atlanta, Georgia, und war angewidert: »Es war kein Spaß, denn wo ich auch immer hinging – im Caféladen, im Flur, wenn ich in einen Aufzug stieg – sprachen die Leute immer nur, welchen Posten sie bekommen würden, wenn Michael Dukakis Präsident geworden war.«
Vier Jahre danach besuchte Adelson den Parteitag der Republikaner in Houston, Texas: »Ich hörte kein einziges Wort, was die Leute bekommen würden«, bilanzierte er im Rückblick. »Sie waren würdevoll und wussten sich zu benehmen. Ich sagte mir: ›Ich gehöre nicht zu diesen Rowdies dort unten in Atlanta, den Demokraten. Das bin nicht wirklich ich.‹ Ich bin dann also quasi konvertiert. (...) Nachdem ich den Demokraten 100.000 Dollar gegeben hatte, spendete ich den Republikanern auch 100.000 Dollar, sozusagen als Bußgeld.«
Seither gehört Sheldon Adelson zu den verlässlichsten Geldgebern der amerikanischen Konservativen. Dabei findet er nicht, dass Multimilliardäre wie er sich eigentlich in die Politik einmischen sollten. »Ich glaube nicht, dass ein einzelner Mensch Wahlen beeinflussen sollte«, sagte er einmal in einem Interview. »Also nehme ich jetzt an, dass Sie mich fragen werden: Warum tue ich es dann? Weil einzelne andere Leute Wahlen beeinflussen.«
Das war eine kaum verhüllte Anspielung auf George Soros, der so etwas wie Adelsons Spiegelbild auf der politischen Linken ist: auch er Jude, auch er Multimilliardär (Platz 15 auf der »Forbes«-Liste) – allerdings ein überzeugter Demokrat, der 2004 sagte, er würde sein ganzes Privatvermögen opfern, wenn nur sichergestellt werden könnte, dass George W. Bush die Wiederwahl als Präsident nicht gewinnen würde. (Bush gewann.) Grundsätzlich verschieden ist auch die Haltung der beiden Männer zum Staat Israel: George Soros ist bekennender Antizionist, während Sheldon Adelson zu den Unterstützern von Benjamin Netanjahu zählt.
eigeninteresse Was hätte sich Sheldon Adelson persönlich erhofft, wenn Mitt Romney gewählt worden wäre? Nach eigener Aussage: eine doppelte Portion Latkes, wenn er zur Chanukka-Party ins Weiße Haus eingeladen worden wäre. Bei der letzten Chanukkafeier mit George W. Bush hatte Adelson es nämlich nicht mehr rechtzeitig zum Buffet geschafft – als er dort ankam, waren die Latkes alle.
Mit anderen Worten: Es ging ihm nicht um einen Botschafterposten oder andere persönliche Vorteile. Die Sache ist einfach so, dass Adelson gewisse Überzeugungen mit den Republikanern (oder genauer, deren konservativem Flügel) teilt. Er verabscheut Obama und hält ihn für einen Sozialisten, der mit seinem Umverteilungsfuror den amerikanischen Kapitalismus ruinieren werde. Er ist überzeugt, dass die Regierung Obama den Lebensinteressen des Staates Israel schade.
Zum Teil diente Adelsons Unterstützung der republikanischen Sache aber auch der schlichten Selbstverteidigung: Sowohl die linksliberale »New York Times« als auch das rechtsliberale »Wall Street Journal« brachten an prominenter Stelle Artikel darüber, dass seine »Las Vegas Sands Corporation« zum Objekt der Untersuchung von Bundesbehörden geworden ist; es geht dabei um Vorwürfe wegen Geldwäsche (in Las Vegas) und Korruption (in Macau). Die Untersuchungen sind noch keineswegs abgeschlossen, und selbstverständlich gilt die Unschuldsvermutung. Aber ein Freund im Weißen Haus hätte Adelson doch ein wenig schützen können.
doppelt verloren Doch der Multimilliardär hat sich, wie oben angedeutet, gleich zweimal verzockt. Zu Anfang – bei den Vorwahlen der Republikaner – unterstützte Sheldon Adelson nämlich keineswegs Mitt Romney. Er setzte sein Geld vielmehr auf den bulligen Newt Gingrich und sorgte mit seiner Unterstützung dafür, dass sich dessen Agonie noch länger hinauszögerte: Ohne die Schecks von Adelson hätte Gingrich im innerrepublikanischen Kandidatengerangel viel eher aufgeben müssen.
Dann folgten die Schecks für Romney. Sheldon Adelson ist stolz darauf, dass er sich ohne alle Heimlichtuerei für seinen Kandidaten eingesetzt hat. Er habe nicht wie George Soros verschiedene Stiftungen gegründet, um verdeckt den demokratischen Prozess der Entscheidungsfindung zu beeinflussen, sondern mit offenem Visier gekämpft. »Whatever it takes«, sagte Sheldon Adelson am Vorabend der Wahl. Er werde tun, was immer nötig sei, natürlich nur, solange es moralisch und legal sei. Und: »Winning isn’t everything, it’s the only thing.« Er wolle siegen, nichts anderes.
Bei den Kampagnen, die mit Sheldon Adelsons 70 Millionen finanziert wurden, ging es ganz wesentlich auch darum, jüdische Wähler von der Schädlichkeit Obamas zu überzeugen. Werbespots im Fernsehen, Roboteranrufe, Drucksachen aller Art hämmerten ihnen ein, dass es sich beim Präsidenten um einen Feind Israels handelte. Der Erfolg der Kampagne war offenbar minimal: Drei Viertel der amerikanischen Juden stimmten trotzdem für Obama.
Übrigens erging es anderen republikanischen Juden keinen Deut besser als Adelson: Shmuley Boteach, der gern als erster Rabbiner ins Repräsentantenhaus eingezogen wäre, hat die Wahl in New Jersey verloren, ebenso wie Adam Hasner in Florida, der gegen die (übrigens gleichfalls jüdische) Demokratin Lois Frankel angetreten war. Zumindest Sheldon Adelsons Misserfolg hat dabei allerdings etwas ungeheuer Beruhigendes; und zwar ganz unabhängig von parteipolitischen Präferenzen. Er beweist – genau wie der Misserfolg von George Soros anno 2004 –, dass das Volk, der große Lümmel, sich von Wahlkampagnen kaum beeindrucken lässt.
Sicher ist nun jedenfalls: Sheldon Adelson wird seine Latkes dieses Jahr anderswo als im Weißen Haus zu sich nehmen müssen. Teurer wurde die Hoffnung auf einen Nachschlag noch nie in der Geschichte des Chanukkafestes erkauft.