Frau Lässig, in dieser Woche hat die Deutsch-Israelische Schulbuchkommission ihre Empfehlungen vorgestellt. Warum besteht überhaupt Handlungsbedarf?
Deutsche Schulbücher bemühen sich grundsätzlich um eine ausgewogene Darstellung Israels und des Nahostkonflikts. Was wir problematisch finden, ist, dass Israel fast nur im Zusammenhang mit Konflikten vorkommt. Der Nahostkonflikt bietet häufig die einzige Erwähnung des Staates Israel überhaupt. Diese Verkürzung führt ungewollt zu verzerrten Wahrnehmungen.
An welchen Beispielen zeigt sich das?
Oft gibt es einen relativ unreflektierten Bildgebrauch, bei dem emotionalisierende Bilder des Nahostkonflikts aus den Massenmedien in die Schulbücher übernommen werden. Bei einem ohnehin schon emotional aufgeladenen Thema ist das ganz besonders problematisch. Auch gibt es teilweise polarisierende Sprache. Mit Überschriften wie »Krisenherd Nahost«, »Hass zwischen den Völkern« oder »Israel: Krieg ohne Ende?« tragen die Autoren – sicherlich unbewusst – dazu bei, eine bestimmte Wahrnehmung Israels zu verfestigen.
Was fehlt in der Darstellung?
Es werden viel zu wenig andere Themen dargestellt, die erklären, wie Israel sich entwickelt hat und wie es heute aussieht – etwa demokratische Institutionen und Werte, soziale Bewegungen des 20. Jahrhunderts, etwa die Kibbuzbewegung, oder die Vorgeschichte Israels und des Zionismus. Man könnte auch auf Israel Bezug nehmen beim Thema Vergangenheitsbewältigung oder im Zusammenhang mit Globalisierung, Terror-Herausforderungen, neuen Technologien, demografischen Herausforderungen. All dies geschieht in der Regel wenig oder gar nicht. Auch über die Verbindung zur deutschen Geschichte und zur Schoa erfahren Schüler kaum etwas. Wenn Schüler nicht lernen, wie wichtig die Auswanderung nach Palästina als sicherer Hafen war, verstehen sie vieles an dem heutigen Konflikt auch nicht.
Woran liegt diese verkürzte Darstellung?
Zum einen ist es sicherlich der Zwang zur Reduktion. Themen werden exemplarisch behandelt, und man kann keine großen zusätzlichen Kapitel zu Israel integrieren, ohne den Rahmen zu sprengen. Zum anderen liegt das Thema vielleicht auch nicht unbedingt auf dem Wissensradar vieler Schulbuchautoren.
Wie lauten Ihre Verbesserungsvorschläge?
Man muss den Schulbuchautoren Angebote machen, bei welchen Themen es sinnvoll wäre, sie auch einmal am Beispiel Israels zu erörtern. Wir wollen die Versäumnisse der letzten Kommission vor 30 Jahren nicht wiederholen, die sehr engagiert war, aber mit den Empfehlungen ihre Arbeit eingestellt hat. Dieser analytischen und Empfehlungsphase sollte sich eine praktisch orientierte Phase anschließen, in der wir Workshops für Schulbuchautoren, Verlagsvertreter, Vertreter der Ministerien, die die Lehrpläne entwerfen, und Lehrer anbieten. Auch wollen wir Materialien erarbeiten und online bereitstellen, die von Lehrern und Autoren als Baukasten genutzt werden können.
Mit der Direktorin des Georg-Eckert-Instituts sprach Ingo Way.