Es ist kein Geheimnis, dass Angela Merkel das Ende ihrer politischen Karriere immer frei und selbst bestimmen wollte. »Ich will nicht ein halbtotes Wrack sein, wenn ich aus der Politik aussteige«, bekannte die damalige CDU-Generalsekretärin 1999 im Gespräch mit der Fotografin Herlinde Koelbl. Zugleich sagte sie aber auch, dass es schwerer sei, mit der Politik aufzuhören, als sie sich das früher immer vorgestellt habe.
Nun hat Bundeskanzlerin Merkel nach langem Zögern bekannt gegeben, dass sie 2017 noch einmal zur Wahl antreten wird. Leicht gemacht hat sie sich diesen Schritt nicht. Immens schwer sei ihr die Kandidatur sogar gefallen, sagte sie am Sonntag. »Diese Wahl wird wie keine zuvor, jedenfalls seit der Deutschen Einheit nicht.« In dieser besonderen Situation sei sie bereit, zu kandidieren. Soll heißen: Wären da nicht die vielen Krisen in der Welt – Flüchtlinge, Brexit, Rechtsruck, Trump –, hätte sie wohl anders entschieden.
flüchtlingskrise Mitleid mit der Kanzlerin also? Mitnichten. Merkel selbst hat in der Flüchtlingskrise mit ihrer »Weiter so«-Politik zur Polarisierung der Gesellschaft beigetragen. Sie trägt Mitverantwortung dafür, dass die Gesellschaft so zerrissen ist. Ihr Ansehen hat gelitten. Und Hand aufs Herz: Auch bei einigen von uns Juden, die Merkel wegen ihrer Treue zur jüdischen Gemeinschaft und zu Israel sehr schätzen, kamen während der Flüchtlingsdebatte plötzlich Zweifel auf.
Doch Fakt ist auch, dass Merkel aus ihren Fehlern gelernt hat. Die Pragmatikerin der Macht hat die Zeichen der Zeit erkannt, hat ihre Politik der offenen Grenzen korrigiert. Und auch wenn der Eindruck manchmal täuschen mag: Nach wie vor fühlen die meisten Deutschen sich gut regiert, die Mehrheit wünscht sich eine vierte Amtszeit, Merkels Vorsprung in den Umfragen ist deutlich.
Würde sie erneut gewählt, wäre es ihre wichtigste Aufgabe, das zum Teil verloren gegangene Vertrauen der bürgerlichen Mitte zurückzugewinnen. Aus der Politik aussteigen könnte sie danach immer noch – und zwar in allen Ehren.