Die jährlichen Verhandlungen im Namen der Holocaust-Überlebenden zwischen der Claims Conference und der deutschen Regierung fanden in diesem Jahr in einem historisch präzedenzlosen Kontext statt. Jedes Jahr aufs Neue stehen wir fest zu unserem Engagement, dem wachsenden Bedarf der zunehmend älter und schwächer werdenden Holocaust-Überlebenden zu begegnen, und ich bin immer stolz darauf, Teil dieses Teams zu sein.
In diesem Jahr war alles anders; die Herausforderungen waren größer, und die Hürden waren singulär und vielfältig zugleich, so wie die Lebenssituation jedes einzelnen Überlebenden. Covid-19 hat Millionen Menschen in Deutschland und auf der ganzen Welt massiv zugesetzt; die betagten Überlebenden jedoch hat es mit grausamer Wucht getroffen.
bedürfnisse Die deutsche Regierung hat auf die Situation angemessen reagiert und die besonderen Bedürfnisse der Holocaust-Überlebenden anerkannt, die durch die Corona-Pandemie noch zugenommen haben. Die Herausforderungen, die betagte Überlebende derzeit zu bewältigen haben, gehen über häusliche Betreuung, medizinische Versorgung und Sozialisierungsprogramme weit hinaus, obwohl jede von ihnen ausgesprochen wichtig ist.
In diesem Jahr benötigten die Überlebenden verstärkt Direkthilfen, denn sie mussten einem bis dato unbekannten Widersacher entgegentreten: Covid-19. Glücklicherweise führten die Verhandlungen zu einer bahnbrechenden Vereinbarung.
Seit Ende des Zweiten Weltkriegs hat die Claims Conference mit der deutschen Regierung regelmäßig über ein Mindestmaß an Gerechtigkeit für Holocaust-Überlebende verhandelt. Das Ziel unserer Verhandlungen ist dabei immer gewesen, dem Bedarf dieser älter werdenden Bevölkerungsgruppe gerecht zu werden und ihnen ein kleines Maß an Würde zu geben, die man ihnen in ihrer Jugend genommen hatte. In diesem Jahr wurden die Herausforderungen zusätzlich kompliziert durch die Coronavirus-Pandemie, die die ohnehin verletzliche Gruppe noch größeren Risiken ausgesetzt hat.
Insbesondere Holocaust-Überlebende sehen sich mit einer Fülle von gesundheitlichen, emotionalen und finanziellen Problemen konfrontiert.
Ältere Menschen sind die primäre Risikogruppe der Pandemie. Insbesondere Holocaust-Überlebende jedoch sehen sich mit einer Fülle von gesundheitlichen, emotionalen und finanziellen Problemen konfrontiert, umso mehr als Lockdowns und Quarantäne zu sozialer Isolation, inflationären Lebensmittelkosten und Zusatzkosten für die Auslieferung von Medikamenten und Waren geführt haben.
Die zusätzlichen Mittel, die wir durch unsere Verhandlungen sichern konnten, werden den Überlebenden helfen, den dramatischen Anstieg der Lebenshaltungskosten und die zusätzlichen Ausgaben für individuelle Schutzmaßnahmen zu bewältigen.
betreuung Angesichts der Hotspots, mit denen die Pandemie auch weiterhin Länder rund um den Globus in Geiselhaft hält, musste die Bundesregierung der deutschen Bevölkerung hohe Kosten abverlangen. Man war sich deshalb bewusst, dass auch die Claims Conference zusätzliche Mittel geltend machen würde, um die von der Pandemie verursachten Mehrkosten aufzufangen und den Überlebenden durch diese extrem schwierigen Zeiten zu helfen.
Neben erhöhten Mitteln für Sozialfürsorge und häusliche Betreuung, die den Überlebenden weltweit zugutekommen, hat die Bundesregierung einen präzedenzlosen Betrag von 576 Millionen Euro für Zusatzzahlungen aus dem Hardship Fund in den kommenden zwei Jahren bewilligt.
Die Claims Conference schätzt, dass rund 240.000 Überlebende weltweit für diese Zusatzzahlungen berechtigt sein werden. Die meisten von ihnen, oft russischsprachig, leben heute in Israel, Nordamerika, in der ehemaligen Sowjetunion und in Deutschland. Es gibt kein Mittel, die Verluste dieser Menschen zu heilen; die Verhandlungen können nicht »wiedergutmachen«, was den Überlebenden genommen wurde, die mit sechs Millionen während der Schoa Ermordeten zurückblieben.
Was jeder einzelne Überlebende verloren hat, kann mit keinem Geld der Welt wiedererlangt werden.
Was jeder einzelne Überlebende verloren hat, kann mit keinem Geld der Welt wiedererlangt werden. Aber wir können unsere moralische Verpflichtung erfüllen und Sorge dafür tragen, dass die Überlebenden ihren Lebensabend nicht unter Bedingungen verbringen müssen, unter denen sie zu Anfang ihres Lebens gezwungen waren zu existieren. Wir können dafür Sorge tragen, den Holocaust-Überlebenden, die alles verloren haben, ein Mindestmaß an Gerechtigkeit zu geben.
zukunft Trotz des wachsenden Antisemitismus bin ich optimistisch in Bezug auf Deutschlands Zukunft als tolerante Demokratie, denn die demokratischen Institutionen in Deutschland sind stark und werden Antisemitismus und andere Formen des Hasses niederringen. Wir verhandeln mit deutschen Beamten, die während des Zweiten Weltkriegs entweder noch nicht geboren oder Kinder waren und sich gegenüber den Überlebenden dennoch verpflichtet fühlen, ebenso wie der Bundestag, der die Ergebnisse unserer Verhandlungen immer unterstützt.
Die Arbeit der Claims Conference und der Bundesregierung zum Wohl der Überlebenden muss so lange fortgesetzt werden, bis der letzte Überlebende von uns gegangen ist. Die historische Vereinbarung, die in diesem Jahr erreicht werden konnte, soll uns darin bestärken, dass das Mantra »Wir werden nie vergessen!« eine tatsächliche Bedeutung für die Lebensumstände der Überlebenden hat.
Der Autor ist Verhandlungsführer der Claims Conference und früherer US-Botschafter in Brüssel.