Kurz vor dem 50. Jahrestag des Attentats auf die israelische Olympia-Mannschaft am 5. September 1972 in München hat sich nun auch Frank-Walter Steinmeier in den Streit um eine höhere Entschädigung der Hinterbliebenen eingeschaltet. Der Bundespräsident ist offenbar sogar willens, kurzfristig nach Israel zu reisen, um die Angehörigen zu treffen und mit ihnen der Terroropfer zu gedenken.
Vor drei Wochen hatte Ankie Spitzer, Sprecherin der Familienangehörigen, angekündigt, man wolle der Gedenkfeier in München fernbleiben. Als Grund nannte sie das ihrer Ansicht nach unzureichende Angebot der Bundesregierung für weitere Entschädigungszahlungen.
Initiative Steinmeier sei nicht von den Angehörigen eingeladen worden, er habe er selbst die Initiative ergriffen, sagte Spitzer im israelischen Radio. »Er hat vorgeschlagen, für einen Tag nach Israel zu kommen, um die Familien zu treffen und mit ihnen einen Kranz an der Gedenkstätte in Tel Aviv niederzulegen.« Man wisse aber nicht so recht, was davon zu halten sei. »Kommt er nur, um ein reines Gewissen zu haben?«
Die von Deutschland nun ins Spiel gebrachte Summe nennt Ankie Spitzer ein »Trinkgeld« und »entwürdigend«
Spitzers Angaben zufolge hat Deutschland bislang rund vier Millionen Euro an die Hinterbliebenen ausbezahlt. Vieles davon habe man aber verwenden müssen, um Anwalts- und andere Kosten zu begleichen. Die von Deutschland nun ins Spiel gebrachte zusätzliche Summe nannte Spitzer jedoch ein »Trinkgeld« und »entwürdigend«. Der »Welt am Sonntag« sagte sie: »Soll ich mich etwa für 50 Jahre Lügen und Misshandlung bedanken? Nein, Deutschland muss endlich Verantwortung übernehmen und sein Verhalten korrigieren. Dann können wir sprechen, und dann werden wir auch eine Entschuldigung akzeptieren. Aber so nicht.«
Deutschland steht seit Jahrzehnten für die laxen Sicherheitsvorkehrungen im Olympischen Dorf sowie die missglückte Befreiungsaktion am Flugplatz Fürstenfeldbruck in der Kritik, die maßgeblich zum Tod der Geiseln sowie eines Polizisten beitrug. Zudem wurde den Angehörigen der Opfer jahrzehntelang die Einsicht in die Ermittlungsakten verwehrt.
Das Bundespräsidialamt ließ vergangene Woche denn auch Verständnis für deren Aliegen durchblicken: »Der mörderische Terroranschlag selbst, aber gerade auch das Versagen der deutschen Behörden, die jungen israelischen Athleten zu schützen und zu retten, haben ihren Familien unermesslichen Schmerz und Leid zugefügt«, hieß es in einer Erklärung.
Lösung Ob noch vor dem Jahrestag eine Lösung bei der Entschädigung gefunden werden kann, war bis Redaktionsschluss (Mittwoch) fraglich. Zudem ließ Steinmeier klarstellen, er werde sich nicht in die Verhandlungen diesbezüglich einmischen, das sei Sache des Innenministeriums.
Der FDP-Bundestagsabgeordnete Pascal Kober, Beauftragter der Bundesregierung für die Anliegen von Betroffenen von terroristischen Anschlägen, sagte dieser Zeitung: »Wir tragen in Deutschland eine politische Verantwortung, der wir uns stellen müssen – insbesondere auch im Hinblick auf unser einzigartiges Verhältnis zu Israel.« Zwar gebe es unter den Hinterbliebenen in der Entschädigungsfrage unterschiedliche Sichtweisen. Er wünsche sich aber eine Lösung, die die Interessen aller Beteiligten vereine. Die Bundesregierung sei zu weiteren Gesprächen bereit. Auch Israels Botschafter Ron Prosor hofft noch. »Wir haben zwei Wochen Zeit, um daran zu arbeiten«, sagte er der »Bild«. Die Familien verdienten einen »Abschluss«. Das Blatt berichtete, das Kanzleramt habe sich nun in die Gespräche eingeschaltet.
Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle brachte sogar die Absage der Veranstaltung ins Spiel.
Das mögliche Fernbleiben der Angehörigen erschwert massiv die Planungen für die Gedenkfeier in München. Bayerns Antisemitismusbeauftragter Ludwig Spaenle (CSU) brachte deshalb sogar die Absage der Veranstaltung ins Spiel. Eigentlich sollte auch Israels Staatspräsident Isaac Herzog daran teilnehmen. Doch der wird vorerst nur in Berlin erwartet. Am 6. September will Herzog vor dem Bundestag reden. In München wird er sich aber wohl nur blicken lassen, wenn auch die Angehörigen der Terroropfer kommen. Die wiederum wollen ihren Boykott nur dann überdenken, wenn es bei der Entschädigung zu einer Einigung kommt.