Großbritanniens Außenminister (und ehemaliger Premier) David Cameron hatte vorgelegt. Bei einem Empfang im Parlamentsgebäude in London sagte Cameron am Montag, die Regierung erwäge die formelle Anerkennung eines palästinensischen Staates. Das könne, so Cameron einen »unumkehrbaren« Schritt hin zu einer Zweistaatenlösung in Nahost und Schaffung eines palästinensischen Staates bedeuten. Bislang haben westliche Politiker stets ein Friedensabkommen mit Israel als Vorbedingung genannt.
Vorbedingung für eine Anerkennung sei jetzt aber die Freilassung aller Geiseln durch die Hamas, betonte der konservative Politiker. »Wir haben hier eine Verantwortung, weil wir damit beginnen sollten, festzulegen, wie ein palästinensischer Staat aussehen würde, was er umfassen würde und wie er funktionieren würde«, sagte er.
Dem palästinensischen Volk müssten »unumkehrbare Fortschritte« auf dem Weg zu einer Zweistaatenlösung aufgezeigt werden, so Cameron. »Wenn das geschieht, werden wir uns gemeinsam mit unseren Verbündeten mit der Frage der Anerkennung eines palästinensischen Staates befassen, auch in den Vereinten Nationen. Dies könnte dazu beitragen, diesen Prozess unumkehrbar zu machen.«
»Politischer Horizont«
Mit einem Fünf-Punkte-Plan will Großbritannien ein Ende der Kämpfe und die Freilassung der Geiseln im Gazastreifen erreichen. Das soll wiederum einen »politischen Horizont« für eine Zweistaatenlösung und eine palästinensische Administration eröffnen, welche sowohl den Gazastreifen als auch das Westjordanland verwalten würde. Die Anführer der Hamas sollen laut britischem Plan in ein anderes Land ausgewiesen werden.
Aus Washington kamen am Dienstag ähnliche Signale - wenngleich keine offizielle Bestätigung. US-Außenminister Antony Blinken hat laut einem Bericht der Nachrichtenseite »Axios« seine Mitarbeiter im State Department gebeten, »politische Optionen für eine mögliche amerikanische und internationale Anerkennung eines palästinensischen Staates nach dem Gaza-Krieg vorzulegen«. Dies hätten zwei mit dem Thema vertraute US-Beamte »Axios« verraten, schrieb der für gewöhnlich gut informierte israelische Journalist Barak Ravid.
Ein solcher Schritt würde in der amerikanischen Politik eine Kurskorrektur um 180 Grad bedeuten. Bislang hatten sukzessive Regierungen in Washington die Auffassung vertreten, dass die palästinensische Eigenstaatlichkeit nur durch direkte Verhandlungen zwischen Israel und der Palästinensischen Autonomiebehörde erreicht werden könne. Jetzt könnte die Anerkennung erfolgen, um die Verhandlungen überhaupt in Gang zu bringen.
Aufnahme in die Vereinten Nationen
Blinken hatte allerdings in der Vergangenheit zahlreiche Bedingungen genannt, die vor einem solchen Schritt erfolgen müssten, unter anderem eine Garantie der Sicherheitsinteressen Israels durch die Palästinenser. Am Mittwoch sagte ein Sprecher des State Department, auf den Axios-Bericht angesprochen, man verfolge »aktiv die Gründung eines unabhängigen palästinensischen Staates, mit echten Sicherheitsgarantien für Israel.« Das sei der beste Weg, um »langfristig Frieden und Sicherheit für Israel, die Palästinenser und die Region zu erreichen.«
Der »Staat Palästina« wurde ursprünglich 1988 ausgerufen und 2012 von der UN-Vollversammlung als »Nicht-Mitgliedsland« mit Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen aufgenommen. Bereits 1974 hatte die Vollversammlung in einer - völkerrechtlich nicht verbindlichen - Resolution des Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat bekräftigt und die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) von Jassir Arafat als Vertreterin der Interessen der Palästinenser legitimiert.
2011 wurde die mittlerweile von Mahmud Abbas geführte PLO bei der UNESCO als Vollmitglied aufgenommen. Bislang haben knapp drei Viertel der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen einen Staat Palästina offiziell anerkannt. Zum Vergleich: Der Staat Israel wird aktuell von 165 Ländern anerkannt.
Kritik aus den eigenen Reihen
Deutschland erkennt den Palästinenserstaat bislang diplomatisch nicht an. Allerdings tun dies bereits seit längerem einige Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, darunter Rumänien, Bulgarien, Malta und Zypern. Die meisten EU-Länder sind den Schritt bislang aber nicht gegangen - auch weil Brüssel versucht, in dieser Frage eine einheitliche Position einzunehmen.
Die israelische Politik hat sich bislang mehrheitlich auf den Standpunkt gestellt, dass eine Anerkennung der palästinensischen Staatlichkeit - wenn überhaupt - nur nach Abschluss eines umfassenden Friedensvertrages mit Israel möglich sei, in dem alle wichtigen Fragen geklärt werden. Seit dem Massaker der Hamas vom 7. Oktober werden aber in Israel immer mehr Stimmen laut, die einen Palästinenserstaat vollständig ablehnen. Dazu zählt auch Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.
Selbst in David Camerons eigener Partei, den Tories, ist der Vorstoß nicht unumstritten. Zwar gibt es auch in den Reihen der Konservativen Anhänger der Palästinenser. Allerdings sagte die frühere Staatsministerin im Auswärtigen Amt in London, Theresa Villiers: »Die einseitige Anerkennung eines palästinensischen Staates vorzuziehen und zu beschleunigen, hieße, die Gräueltaten der Hamas zu belohnen«.
Husam Zomlot, Leiter der palästinensischen Vertretung in London, bezeichnete die Äußerungen Camerons hingegen als »historischen Schritt«. Das Vereinigte Königreich würde damit erstmals die Anerkennung eines palästinensischen Staates »als Beitrag zu einer friedlichen Lösung und nicht als Ergebnis« derselben in Betracht ziehen.